Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

papiernen Zwischenraum als möglich lassen; aber
der Leser muß seines Orts auch behend zublättern
und nicht die Hände in den Schooß legen, sondern
das Buch. Die Probe war im alten Schlosse --
Oefel machte seine Sache gut genug -- Beata noch
besser -- und Gustav am aller -- schlechtesten. Denn
die Gesichter des Fürsten und der Ohnmäch¬
tigen setzten wie Salpetersäure und Salz sein Herz
fast zu einem Eiskegel um: vor manchen Menschen
ist man schlaff und unfähig, enthusiastische Gesin¬
nungen zu haben. -- Sonderbar! die seinigen,
aber nicht Beatens ihre wurden von dieser durchs
Theater streichenden Nordluft erkältet. Es ist aber
gar nicht sonderbar: denn die Liebe wirft den
Jüngling aus seinem Ich heraus unter andre Ichs,
das Mädchen aber aus fremden in das ihrige hin¬
ein. Kaum oder wenig nahm Beata die Approchen
des regierenden Akteurs oder agirenden Regenten
wahr, -- Oefel aber sahs und dachte seinem Siege
über den hohen Nebenbuhler nach, -- welcher sich
ihr in einer nicht sehr großen Spirallinie näher dreh¬
te, wie er an Hofdamen gewohnt war, die nur
in der Jugend ihre Tugend a la minutta weggeben,
im Alter hingegen einen größern Handel damit i[n]

papiernen Zwiſchenraum als moͤglich laſſen; aber
der Leſer muß ſeines Orts auch behend zublaͤttern
und nicht die Haͤnde in den Schooß legen, ſondern
das Buch. Die Probe war im alten Schloſſe —
Oefel machte ſeine Sache gut genug — Beata noch
beſſer — und Guſtav am aller — ſchlechteſten. Denn
die Geſichter des Fuͤrſten und der Ohnmaͤch¬
tigen ſetzten wie Salpeterſaͤure und Salz ſein Herz
faſt zu einem Eiskegel um: vor manchen Menſchen
iſt man ſchlaff und unfaͤhig, enthuſiaſtiſche Geſin¬
nungen zu haben. — Sonderbar! die ſeinigen,
aber nicht Beatens ihre wurden von dieſer durchs
Theater ſtreichenden Nordluft erkaͤltet. Es iſt aber
gar nicht ſonderbar: denn die Liebe wirft den
Juͤngling aus ſeinem Ich heraus unter andre Ichs,
das Maͤdchen aber aus fremden in das ihrige hin¬
ein. Kaum oder wenig nahm Beata die Approchen
des regierenden Akteurs oder agirenden Regenten
wahr, — Oefel aber ſahs und dachte ſeinem Siege
uͤber den hohen Nebenbuhler nach, — welcher ſich
ihr in einer nicht ſehr großen Spirallinie naͤher dreh¬
te, wie er an Hofdamen gewohnt war, die nur
in der Jugend ihre Tugend à la minutta weggeben,
im Alter hingegen einen groͤßern Handel damit i[n]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0208" n="198"/>
papiernen Zwi&#x017F;chenraum als mo&#x0364;glich la&#x017F;&#x017F;en; aber<lb/>
der Le&#x017F;er muß &#x017F;eines Orts auch behend zubla&#x0364;ttern<lb/>
und nicht die Ha&#x0364;nde in den Schooß legen, &#x017F;ondern<lb/>
das Buch. Die Probe war im alten Schlo&#x017F;&#x017F;e &#x2014;<lb/>
Oefel machte &#x017F;eine Sache gut genug &#x2014; Beata noch<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er &#x2014; und Gu&#x017F;tav am aller &#x2014; &#x017F;chlechte&#x017F;ten. Denn<lb/>
die Ge&#x017F;ichter des Fu&#x0364;r&#x017F;ten und der Ohnma&#x0364;ch¬<lb/>
tigen &#x017F;etzten wie Salpeter&#x017F;a&#x0364;ure und Salz &#x017F;ein Herz<lb/>
fa&#x017F;t zu einem Eiskegel um: vor manchen Men&#x017F;chen<lb/>
i&#x017F;t man &#x017F;chlaff und unfa&#x0364;hig, enthu&#x017F;ia&#x017F;ti&#x017F;che Ge&#x017F;in¬<lb/>
nungen zu haben. &#x2014; Sonderbar! die &#x017F;einigen,<lb/>
aber nicht Beatens ihre wurden von die&#x017F;er durchs<lb/>
Theater &#x017F;treichenden Nordluft erka&#x0364;ltet. Es i&#x017F;t aber<lb/>
gar nicht &#x017F;onderbar: denn die Liebe wirft den<lb/>
Ju&#x0364;ngling aus &#x017F;einem Ich heraus unter andre Ichs,<lb/>
das Ma&#x0364;dchen aber aus fremden in das ihrige hin¬<lb/>
ein. Kaum oder wenig nahm Beata die Approchen<lb/>
des regierenden Akteurs oder agirenden Regenten<lb/>
wahr, &#x2014; Oefel aber &#x017F;ahs und dachte &#x017F;einem Siege<lb/>
u&#x0364;ber den hohen Nebenbuhler nach, &#x2014; welcher &#x017F;ich<lb/>
ihr in einer nicht &#x017F;ehr großen Spirallinie na&#x0364;her dreh¬<lb/>
te, wie er an Hofdamen gewohnt war, die nur<lb/>
in der Jugend ihre Tugend <hi rendition="#aq">à la minutta</hi> weggeben,<lb/>
im Alter hingegen einen gro&#x0364;ßern Handel damit i<supplied>n</supplied><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0208] papiernen Zwiſchenraum als moͤglich laſſen; aber der Leſer muß ſeines Orts auch behend zublaͤttern und nicht die Haͤnde in den Schooß legen, ſondern das Buch. Die Probe war im alten Schloſſe — Oefel machte ſeine Sache gut genug — Beata noch beſſer — und Guſtav am aller — ſchlechteſten. Denn die Geſichter des Fuͤrſten und der Ohnmaͤch¬ tigen ſetzten wie Salpeterſaͤure und Salz ſein Herz faſt zu einem Eiskegel um: vor manchen Menſchen iſt man ſchlaff und unfaͤhig, enthuſiaſtiſche Geſin¬ nungen zu haben. — Sonderbar! die ſeinigen, aber nicht Beatens ihre wurden von dieſer durchs Theater ſtreichenden Nordluft erkaͤltet. Es iſt aber gar nicht ſonderbar: denn die Liebe wirft den Juͤngling aus ſeinem Ich heraus unter andre Ichs, das Maͤdchen aber aus fremden in das ihrige hin¬ ein. Kaum oder wenig nahm Beata die Approchen des regierenden Akteurs oder agirenden Regenten wahr, — Oefel aber ſahs und dachte ſeinem Siege uͤber den hohen Nebenbuhler nach, — welcher ſich ihr in einer nicht ſehr großen Spirallinie naͤher dreh¬ te, wie er an Hofdamen gewohnt war, die nur in der Jugend ihre Tugend à la minutta weggeben, im Alter hingegen einen groͤßern Handel damit in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/208
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/208>, abgerufen am 21.11.2024.