Sie war eine Antike von großer Schönheit, die aber nach den Verwüstungen der Jahre und Men¬ schen nicht mehr unbeschädigt zu haben war: sie muste also durch geschickte Bildhauer mit neuen Gliedern -- z. B. Busen, Zähnen -- ergänzet werden.
Auf den Wangen war die Legierung mit Roth, die tiefere Nachbarschaft wurde mit Weis*) legiert.
Diejenigen Zähne, die den Menschen in die Reihe der graßfressenden Thiere setzen, die Schnei¬ dezähne, waren um so mehr so weis wie Elfenbein, weil sie selber welches waren und waren aus dem Munde eines graßfressenden Thieres -- ich mag nun darunter einen Elephanten oder einen gemei¬ nen Mann verstehen, der die Zähne, die er als Ableger einem edlern Stamm einimpfet, selten in etwas anders als Vegetabilien setzet: so ist doch so viel gewiß daß kein andrer Nachsatz dieses Perio¬ dens herpasset als der; sie hatte noch einmal so viel Zähne als andre Christinnen, und zwei Gold¬ fäden dazu, weil der Dentist die einen allemal im
*) Legierung des Goldes mit Kupfer heißet die mit Roth, die mit Silber heißt die mit Weiß.
Sie war eine Antike von großer Schoͤnheit, die aber nach den Verwuͤſtungen der Jahre und Men¬ ſchen nicht mehr unbeſchaͤdigt zu haben war: ſie muſte alſo durch geſchickte Bildhauer mit neuen Gliedern — z. B. Buſen, Zaͤhnen — ergaͤnzet werden.
Auf den Wangen war die Legierung mit Roth, die tiefere Nachbarſchaft wurde mit Weis*) legiert.
Diejenigen Zaͤhne, die den Menſchen in die Reihe der graßfreſſenden Thiere ſetzen, die Schnei¬ dezaͤhne, waren um ſo mehr ſo weis wie Elfenbein, weil ſie ſelber welches waren und waren aus dem Munde eines graßfreſſenden Thieres — ich mag nun darunter einen Elephanten oder einen gemei¬ nen Mann verſtehen, der die Zaͤhne, die er als Ableger einem edlern Stamm einimpfet, ſelten in etwas anders als Vegetabilien ſetzet: ſo iſt doch ſo viel gewiß daß kein andrer Nachſatz dieſes Perio¬ dens herpaſſet als der; ſie hatte noch einmal ſo viel Zaͤhne als andre Chriſtinnen, und zwei Gold¬ faͤden dazu, weil der Dentiſt die einen allemal im
*) Legierung des Goldes mit Kupfer heißet die mit Roth, die mit Silber heißt die mit Weiß.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0213"n="203"/><p>Sie war eine Antike von großer Schoͤnheit, die<lb/>
aber nach den Verwuͤſtungen der Jahre und Men¬<lb/>ſchen nicht mehr unbeſchaͤdigt zu haben war: ſie<lb/>
muſte alſo durch geſchickte Bildhauer mit neuen<lb/>
Gliedern — z. B. Buſen, Zaͤhnen — ergaͤnzet<lb/>
werden.</p><lb/><p>Auf den Wangen war die <hirendition="#g">Legierung</hi> mit<lb/><hirendition="#g">Roth</hi>, die tiefere Nachbarſchaft wurde mit<lb/><hirendition="#g">Weis</hi><noteplace="foot"n="*)">Legierung des Goldes mit Kupfer heißet die mit <hirendition="#g">Roth</hi>,<lb/>
die mit Silber heißt die mit Weiß.<lb/></note> legiert.</p><lb/><p>Diejenigen Zaͤhne, die den Menſchen in die<lb/>
Reihe der graßfreſſenden Thiere ſetzen, die Schnei¬<lb/>
dezaͤhne, waren um ſo mehr ſo weis wie Elfenbein,<lb/>
weil ſie ſelber welches waren und waren aus dem<lb/>
Munde eines graßfreſſenden Thieres — ich mag<lb/>
nun darunter einen Elephanten oder einen gemei¬<lb/>
nen Mann verſtehen, der die Zaͤhne, die er als<lb/>
Ableger einem edlern Stamm einimpfet, ſelten in<lb/>
etwas anders als Vegetabilien ſetzet: ſo iſt doch<lb/>ſo viel gewiß daß kein andrer Nachſatz dieſes Perio¬<lb/>
dens herpaſſet als der; ſie hatte noch einmal ſo<lb/>
viel Zaͤhne als andre Chriſtinnen, und zwei Gold¬<lb/>
faͤden dazu, weil der Dentiſt die einen allemal im<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[203/0213]
Sie war eine Antike von großer Schoͤnheit, die
aber nach den Verwuͤſtungen der Jahre und Men¬
ſchen nicht mehr unbeſchaͤdigt zu haben war: ſie
muſte alſo durch geſchickte Bildhauer mit neuen
Gliedern — z. B. Buſen, Zaͤhnen — ergaͤnzet
werden.
Auf den Wangen war die Legierung mit
Roth, die tiefere Nachbarſchaft wurde mit
Weis *) legiert.
Diejenigen Zaͤhne, die den Menſchen in die
Reihe der graßfreſſenden Thiere ſetzen, die Schnei¬
dezaͤhne, waren um ſo mehr ſo weis wie Elfenbein,
weil ſie ſelber welches waren und waren aus dem
Munde eines graßfreſſenden Thieres — ich mag
nun darunter einen Elephanten oder einen gemei¬
nen Mann verſtehen, der die Zaͤhne, die er als
Ableger einem edlern Stamm einimpfet, ſelten in
etwas anders als Vegetabilien ſetzet: ſo iſt doch
ſo viel gewiß daß kein andrer Nachſatz dieſes Perio¬
dens herpaſſet als der; ſie hatte noch einmal ſo
viel Zaͤhne als andre Chriſtinnen, und zwei Gold¬
faͤden dazu, weil der Dentiſt die einen allemal im
*) Legierung des Goldes mit Kupfer heißet die mit Roth,
die mit Silber heißt die mit Weiß.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/213>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.