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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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in die große Welt ein ähnlicher Narr war und
Dinge dachte, die ich hätte sagen sollen -- beson¬
ders bereu ich das, daß ich zu einer Tranchee-Ma¬
jorin, die ihr kleines Mädgen an der Hand und
eine Rose, aus deren Mitte eine kleine gesprosset
war am Busen hatte, nicht [...]gesagt habe:
Vous voila und daß ich nicht auf die Rose gewiesen,
ob ich gleich das ganze Bonmot schon fertig gegos¬
sen im Kopfe liegen hatte. Ich führte nachher die
Saillie lange im Kopfe herum und paßte auf, brenn¬
te sie aber zuletzt noch auf eine recht dumme Wei¬
se loß.

Da eine Winterlandschaft mit einem künstli¬
chen Reife, der in der Wärme des Zimmers zer¬
floß und einen belaubten Frühling aufdeckte, un¬
ter den Schaugerichten, den optischen Prunk-Ge¬
richten der Großen, mit stand: so hatte Gustav
einen hübschen Einfall darüber, den man mir
nicht mehr sagen konnte. Gleichwohl ob er gleich
unter dem schönsten Deckenstücke und auf dem nied¬
lichsten Stuhle aß: so nahm er doch, als ein blo¬
ßer Hof-Incipient, an allem Antheil was er sag¬
te und an jedem, mit dem er sprach; dir war
noch, du Seeliger, keine Wahrheit und kein

in die große Welt ein aͤhnlicher Narr war und
Dinge dachte, die ich haͤtte ſagen ſollen — beſon¬
ders bereu ich das, daß ich zu einer Tranchée-Ma¬
jorin, die ihr kleines Maͤdgen an der Hand und
eine Roſe, aus deren Mitte eine kleine geſproſſet
war am Buſen hatte, nicht […]geſagt habe:
Vous voila und daß ich nicht auf die Roſe gewieſen,
ob ich gleich das ganze Bonmot ſchon fertig gegoſ¬
ſen im Kopfe liegen hatte. Ich fuͤhrte nachher die
Saillie lange im Kopfe herum und paßte auf, brenn¬
te ſie aber zuletzt noch auf eine recht dumme Wei¬
ſe loß.

Da eine Winterlandſchaft mit einem kuͤnſtli¬
chen Reife, der in der Waͤrme des Zimmers zer¬
floß und einen belaubten Fruͤhling aufdeckte, un¬
ter den Schaugerichten, den optiſchen Prunk-Ge¬
richten der Großen, mit ſtand: ſo hatte Guſtav
einen huͤbſchen Einfall daruͤber, den man mir
nicht mehr ſagen konnte. Gleichwohl ob er gleich
unter dem ſchoͤnſten Deckenſtuͤcke und auf dem nied¬
lichſten Stuhle aß: ſo nahm er doch, als ein blo¬
ßer Hof-Incipient, an allem Antheil was er ſag¬
te und an jedem, mit dem er ſprach; dir war
noch, du Seeliger, keine Wahrheit und kein

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[212/0222] in die große Welt ein aͤhnlicher Narr war und Dinge dachte, die ich haͤtte ſagen ſollen — beſon¬ ders bereu ich das, daß ich zu einer Tranchée-Ma¬ jorin, die ihr kleines Maͤdgen an der Hand und eine Roſe, aus deren Mitte eine kleine geſproſſet war am Buſen hatte, nicht geſagt habe: Vous voila und daß ich nicht auf die Roſe gewieſen, ob ich gleich das ganze Bonmot ſchon fertig gegoſ¬ ſen im Kopfe liegen hatte. Ich fuͤhrte nachher die Saillie lange im Kopfe herum und paßte auf, brenn¬ te ſie aber zuletzt noch auf eine recht dumme Wei¬ ſe loß. Da eine Winterlandſchaft mit einem kuͤnſtli¬ chen Reife, der in der Waͤrme des Zimmers zer¬ floß und einen belaubten Fruͤhling aufdeckte, un¬ ter den Schaugerichten, den optiſchen Prunk-Ge¬ richten der Großen, mit ſtand: ſo hatte Guſtav einen huͤbſchen Einfall daruͤber, den man mir nicht mehr ſagen konnte. Gleichwohl ob er gleich unter dem ſchoͤnſten Deckenſtuͤcke und auf dem nied¬ lichſten Stuhle aß: ſo nahm er doch, als ein blo¬ ßer Hof-Incipient, an allem Antheil was er ſag¬ te und an jedem, mit dem er ſprach; dir war noch, du Seeliger, keine Wahrheit und kein

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/222>, abgerufen am 21.11.2024.