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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Liebe, der Bestürzung und der Anstrengung ge¬
bar, und in einer andern als theatralischen Ver¬
schönerung bis zu Ende Henri's Geliebte, um nicht
Gustavs seine zu spielen. Nach dem Spiele mußte
sie allen übrigen Parthien des heutigen Abends
entsagen und in einem Zimmer, das ihr der Fürst
so wie der Doktor mit vielem empressement auf¬
drang, Ruhe für ihre oßillierenden Nerven und
im Briefe Unruhe für ihren schlagenden Busen su¬
chen. Ich hebe Theure, den Vorhang immer hö¬
her auf, der damals noch das verhülte, was jezt
deinen Nerven und deiner Brust die Ruhe nimmt!

Gustav sah nichts; an der Tafel, woran er
sie vermiste, hatt' er nicht den Muth seine frem¬
den Nachbarinnen um sie zu fragen. Andre Din¬
ge fragt' er kühner heute; nicht bloß der heutige
Beifall war eine Eisen- und Stahlkur für seinen
Muth gewesen, sondern auch der Wein, den er
nicht trank sondern aß an den närrischen Olla Po¬
trida's der Großen. Dieses gegessene Getränk feuer¬
te ihn an, die Bonmots wirklich zu offenbaren,
die er sich sonst nur innerlich sagte. Und hier be¬
zeug' ich öffentlich, daß es mich noch bis auf diese
Minute kränkt, daß ich sonst bei meinem Eintritt

O 2

Liebe, der Beſtuͤrzung und der Anſtrengung ge¬
bar, und in einer andern als theatraliſchen Ver¬
ſchoͤnerung bis zu Ende Henri's Geliebte, um nicht
Guſtavs ſeine zu ſpielen. Nach dem Spiele mußte
ſie allen uͤbrigen Parthien des heutigen Abends
entſagen und in einem Zimmer, das ihr der Fuͤrſt
ſo wie der Doktor mit vielem empreſſement auf¬
drang, Ruhe fuͤr ihre oſzillierenden Nerven und
im Briefe Unruhe fuͤr ihren ſchlagenden Buſen ſu¬
chen. Ich hebe Theure, den Vorhang immer hoͤ¬
her auf, der damals noch das verhuͤlte, was jezt
deinen Nerven und deiner Bruſt die Ruhe nimmt!

Guſtav ſah nichts; an der Tafel, woran er
ſie vermiſte, hatt' er nicht den Muth ſeine frem¬
den Nachbarinnen um ſie zu fragen. Andre Din¬
ge fragt' er kuͤhner heute; nicht bloß der heutige
Beifall war eine Eiſen- und Stahlkur fuͤr ſeinen
Muth geweſen, ſondern auch der Wein, den er
nicht trank ſondern aß an den naͤrriſchen Olla Po¬
trida's der Großen. Dieſes gegeſſene Getraͤnk feuer¬
te ihn an, die Bonmots wirklich zu offenbaren,
die er ſich ſonſt nur innerlich ſagte. Und hier be¬
zeug' ich oͤffentlich, daß es mich noch bis auf dieſe
Minute kraͤnkt, daß ich ſonſt bei meinem Eintritt

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[211/0221] Liebe, der Beſtuͤrzung und der Anſtrengung ge¬ bar, und in einer andern als theatraliſchen Ver¬ ſchoͤnerung bis zu Ende Henri's Geliebte, um nicht Guſtavs ſeine zu ſpielen. Nach dem Spiele mußte ſie allen uͤbrigen Parthien des heutigen Abends entſagen und in einem Zimmer, das ihr der Fuͤrſt ſo wie der Doktor mit vielem empreſſement auf¬ drang, Ruhe fuͤr ihre oſzillierenden Nerven und im Briefe Unruhe fuͤr ihren ſchlagenden Buſen ſu¬ chen. Ich hebe Theure, den Vorhang immer hoͤ¬ her auf, der damals noch das verhuͤlte, was jezt deinen Nerven und deiner Bruſt die Ruhe nimmt! Guſtav ſah nichts; an der Tafel, woran er ſie vermiſte, hatt' er nicht den Muth ſeine frem¬ den Nachbarinnen um ſie zu fragen. Andre Din¬ ge fragt' er kuͤhner heute; nicht bloß der heutige Beifall war eine Eiſen- und Stahlkur fuͤr ſeinen Muth geweſen, ſondern auch der Wein, den er nicht trank ſondern aß an den naͤrriſchen Olla Po¬ trida's der Großen. Dieſes gegeſſene Getraͤnk feuer¬ te ihn an, die Bonmots wirklich zu offenbaren, die er ſich ſonſt nur innerlich ſagte. Und hier be¬ zeug' ich oͤffentlich, daß es mich noch bis auf dieſe Minute kraͤnkt, daß ich ſonſt bei meinem Eintritt O 2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/221>, abgerufen am 21.11.2024.