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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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piquiert mit einer Münze der Westentasche, um
die geflohene Hand zu ersetzen -- sind unglücklich
gefallen. Die Personen die das Talent haben, Em¬
pfindungen einzuflößen, haben zum Unglück auch
das, selber keine zu fühlen. Er heftete seinen
Blick plötzlich auf ihre Hemdnadel, an der eine
Perle und das Wort l'amitie glänzte; er sah wie¬
der auf seine Bolognesische Münze, auf der wie
auf allen Bolognesischen das Wort libertas (Frei¬
heit) stand. "Sie gehen mit der Freundschaft wie
Bologna mit der Freiheit um -- beide tragen das
als Legende was sie nicht haben." -- Die edleren
Menschen können die Worte "Freundschaft, Em¬
pfindung
, Tugend" auch von den unedelsten
nicht hören, ohne bei diesen Worten das Große
zu denken wozu ihr Herz fähig ist. Beata bedeckte
einen Seufzer mit ihrer steigenden Brust, der es
nur gar zu deutlich sagen wollte, was Empfin¬
dung und Freundschaft ihr für Freuden und für
Schmerzen geben, aber den Fürsten gieng er nichts
an.

Sein haschender Blick, den er nicht seinem
Geschlecht sondern seinem Stande verdankte,
erwischte den Seufzer, den er nicht hörte. Er

piquiert mit einer Muͤnze der Weſtentaſche, um
die geflohene Hand zu erſetzen — ſind ungluͤcklich
gefallen. Die Perſonen die das Talent haben, Em¬
pfindungen einzufloͤßen, haben zum Ungluͤck auch
das, ſelber keine zu fuͤhlen. Er heftete ſeinen
Blick ploͤtzlich auf ihre Hemdnadel, an der eine
Perle und das Wort l'amitié glaͤnzte; er ſah wie¬
der auf ſeine Bologneſiſche Muͤnze, auf der wie
auf allen Bologneſiſchen das Wort libertas (Frei¬
heit) ſtand. „Sie gehen mit der Freundſchaft wie
Bologna mit der Freiheit um — beide tragen das
als Legende was ſie nicht haben.” — Die edleren
Menſchen koͤnnen die Worte „Freundſchaft, Em¬
pfindung
, Tugend” auch von den unedelſten
nicht hoͤren, ohne bei dieſen Worten das Große
zu denken wozu ihr Herz faͤhig iſt. Beata bedeckte
einen Seufzer mit ihrer ſteigenden Bruſt, der es
nur gar zu deutlich ſagen wollte, was Empfin¬
dung und Freundſchaft ihr fuͤr Freuden und fuͤr
Schmerzen geben, aber den Fuͤrſten gieng er nichts
an.

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Geſchlecht ſondern ſeinem Stande verdankte,
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[228/0238] piquiert mit einer Muͤnze der Weſtentaſche, um die geflohene Hand zu erſetzen — ſind ungluͤcklich gefallen. Die Perſonen die das Talent haben, Em¬ pfindungen einzufloͤßen, haben zum Ungluͤck auch das, ſelber keine zu fuͤhlen. Er heftete ſeinen Blick ploͤtzlich auf ihre Hemdnadel, an der eine Perle und das Wort l'amitié glaͤnzte; er ſah wie¬ der auf ſeine Bologneſiſche Muͤnze, auf der wie auf allen Bologneſiſchen das Wort libertas (Frei¬ heit) ſtand. „Sie gehen mit der Freundſchaft wie Bologna mit der Freiheit um — beide tragen das als Legende was ſie nicht haben.” — Die edleren Menſchen koͤnnen die Worte „Freundſchaft, Em¬ pfindung, Tugend” auch von den unedelſten nicht hoͤren, ohne bei dieſen Worten das Große zu denken wozu ihr Herz faͤhig iſt. Beata bedeckte einen Seufzer mit ihrer ſteigenden Bruſt, der es nur gar zu deutlich ſagen wollte, was Empfin¬ dung und Freundſchaft ihr fuͤr Freuden und fuͤr Schmerzen geben, aber den Fuͤrſten gieng er nichts an. Sein haſchender Blick, den er nicht ſeinem Geſchlecht ſondern ſeinem Stande verdankte, erwiſchte den Seufzer, den er nicht hoͤrte. Er

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/238>, abgerufen am 21.11.2024.