machte auf einmal wider die Natur der Appellation und der Natur einen dialogischen Sprung: "Ver¬ stehen Sie mich nicht?" sagt' er mit einem Tone voll hoffender Ehrerbietung. Sie sagte kälter als der Seufzer versprach, sie könne heute mit ihrem kranken Kopfe nichts thun als ihn auf den -- Arm stützen und bloß der mache ihr es schwer, die Ehr¬ furch einer Unterthanin und die Verschiedenheit ih¬ rer Meinungen von den seinigen mit gleicher Stär¬ ke auszudrücken. -- Gleich Raubthieren haschte er, wenn Schleichen zu nichts führte, durch Sprünge. "O! doch (sagt' er und machte Henri's Liebeser¬ klärung zur seinigen) Marie! ich bin ja Ihr Bru¬ der nicht." Eine Frau gewinnt, wenn sie zu lan¬ ge gewisse Erklärungen nicht verstehen will, nichts als -- die deutlichsten. Er lag noch dazu in Henri's Attitüde vor ihr. "Erlassen Sie mir, ant¬ wortete sie mit fester Würde, die Wahl, es für Scherz oder für Ernst zu halten -- ausser dem Thea¬ ter bin ich unfähiger, den Rosen-Preis zu verdie¬ nen oder zu vernachlässigen; aber Sie sinds, die Sie ihn überall bloß geben müssen" -- Wem aber? (sagt' er, und man sieht durchaus, daß gegen solche Leute keine Gründe helfen) -- "ich vergesse
machte auf einmal wider die Natur der Appellation und der Natur einen dialogiſchen Sprung: „Ver¬ ſtehen Sie mich nicht?“ ſagt' er mit einem Tone voll hoffender Ehrerbietung. Sie ſagte kaͤlter als der Seufzer verſprach, ſie koͤnne heute mit ihrem kranken Kopfe nichts thun als ihn auf den — Arm ſtuͤtzen und bloß der mache ihr es ſchwer, die Ehr¬ furch einer Unterthanin und die Verſchiedenheit ih¬ rer Meinungen von den ſeinigen mit gleicher Staͤr¬ ke auszudruͤcken. — Gleich Raubthieren haſchte er, wenn Schleichen zu nichts fuͤhrte, durch Spruͤnge. „O! doch (ſagt' er und machte Henri's Liebeser¬ klaͤrung zur ſeinigen) Marie! ich bin ja Ihr Bru¬ der nicht.“ Eine Frau gewinnt, wenn ſie zu lan¬ ge gewiſſe Erklaͤrungen nicht verſtehen will, nichts als — die deutlichſten. Er lag noch dazu in Henri's Attituͤde vor ihr. „Erlaſſen Sie mir, ant¬ wortete ſie mit feſter Wuͤrde, die Wahl, es fuͤr Scherz oder fuͤr Ernſt zu halten — auſſer dem Thea¬ ter bin ich unfaͤhiger, den Roſen-Preis zu verdie¬ nen oder zu vernachlaͤſſigen; aber Sie ſinds, die Sie ihn uͤberall bloß geben muͤſſen“ — Wem aber? (ſagt' er, und man ſieht durchaus, daß gegen ſolche Leute keine Gruͤnde helfen) — „ich vergeſſe
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machte auf einmal wider die Natur der Appellation
und der Natur einen dialogiſchen Sprung: „Ver¬
ſtehen Sie mich nicht?“ ſagt' er mit einem Tone
voll hoffender Ehrerbietung. Sie ſagte kaͤlter als
der Seufzer verſprach, ſie koͤnne heute mit ihrem
kranken Kopfe nichts thun als ihn auf den — Arm
ſtuͤtzen und bloß der mache ihr es ſchwer, die Ehr¬
furch einer Unterthanin und die Verſchiedenheit ih¬
rer Meinungen von den ſeinigen mit gleicher Staͤr¬
ke auszudruͤcken. — Gleich Raubthieren haſchte er,
wenn Schleichen zu nichts fuͤhrte, durch Spruͤnge.
„O! doch (ſagt' er und machte Henri's Liebeser¬
klaͤrung zur ſeinigen) Marie! ich bin ja Ihr Bru¬
der nicht.“ Eine Frau gewinnt, wenn ſie zu lan¬
ge gewiſſe Erklaͤrungen nicht verſtehen will, nichts
als — die deutlichſten. Er lag noch dazu in
Henri's Attituͤde vor ihr. „Erlaſſen Sie mir, ant¬
wortete ſie mit feſter Wuͤrde, die Wahl, es fuͤr
Scherz oder fuͤr Ernſt zu halten — auſſer dem Thea¬
ter bin ich unfaͤhiger, den Roſen-Preis zu verdie¬
nen oder zu vernachlaͤſſigen; aber Sie ſinds, die
Sie ihn uͤberall bloß geben muͤſſen“ — Wem aber?
(ſagt' er, und man ſieht durchaus, daß gegen
ſolche Leute keine Gruͤnde helfen) — „ich vergeſſe
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/239>, abgerufen am 21.11.2024.
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