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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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dir ein hienieden gebrochnes, dort geheiligtes Herz
zuerst entgegengehen und an dich sinken und doch
nicht an seiner Wonne sterben und ich werde wie¬
der sagen: "nimm mich wieder geliebte Seele,
auch ich bin seelig" -- alle irdischen Wunden wer¬
den verschwinden, der Zirkel der Ewigkeit wird
uns umfassen und verbinden! . . ach wir müssen
uns ja erst trennen und dieses Leben währet noch
-- -- lebe länger als ich, weine weniger als ich
und -- vergiß mich doch nicht gänzlich -- ach hast
du mich denn sehr geliebt, du Theure, du Ver¬
scherzte? . . .

Gustav F.

Abends unter dem Zusiegeln des Briefs fuhr
Beata zum Schloß-Thor hinein. Als er ihre Licht¬
gestalt, die bald mit so vielen Thränen sollte be¬
deckt werden, heraus steigen sah: prallte er zu¬
rück, schrieb die Aufschrift, gieng zu Bette und
zog die Vorhänge zu, um recht sanft -- zu wei¬
nen. Dem Romanen-Steinmetz Oefel eilte er
vorzüglich aus dem Wege, weil seine Minen und
Laute nichts als unedle Triumphe seines weißagen¬
den Blickes waren; und sogar Gustavs Niederge¬

dir ein hienieden gebrochnes, dort geheiligtes Herz
zuerſt entgegengehen und an dich ſinken und doch
nicht an ſeiner Wonne ſterben und ich werde wie¬
der ſagen: „nimm mich wieder geliebte Seele,
auch ich bin ſeelig“ — alle irdiſchen Wunden wer¬
den verſchwinden, der Zirkel der Ewigkeit wird
uns umfaſſen und verbinden! . . ach wir muͤſſen
uns ja erſt trennen und dieſes Leben waͤhret noch
— — lebe laͤnger als ich, weine weniger als ich
und — vergiß mich doch nicht gaͤnzlich — ach haſt
du mich denn ſehr geliebt, du Theure, du Ver¬
ſcherzte? . . .

Guſtav F.

Abends unter dem Zuſiegeln des Briefs fuhr
Beata zum Schloß-Thor hinein. Als er ihre Licht¬
geſtalt, die bald mit ſo vielen Thraͤnen ſollte be¬
deckt werden, heraus ſteigen ſah: prallte er zu¬
ruͤck, ſchrieb die Aufſchrift, gieng zu Bette und
zog die Vorhaͤnge zu, um recht ſanft — zu wei¬
nen. Dem Romanen-Steinmetz Oefel eilte er
vorzuͤglich aus dem Wege, weil ſeine Minen und
Laute nichts als unedle Triumphe ſeines weißagen¬
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[246/0256] dir ein hienieden gebrochnes, dort geheiligtes Herz zuerſt entgegengehen und an dich ſinken und doch nicht an ſeiner Wonne ſterben und ich werde wie¬ der ſagen: „nimm mich wieder geliebte Seele, auch ich bin ſeelig“ — alle irdiſchen Wunden wer¬ den verſchwinden, der Zirkel der Ewigkeit wird uns umfaſſen und verbinden! . . ach wir muͤſſen uns ja erſt trennen und dieſes Leben waͤhret noch — — lebe laͤnger als ich, weine weniger als ich und — vergiß mich doch nicht gaͤnzlich — ach haſt du mich denn ſehr geliebt, du Theure, du Ver¬ ſcherzte? . . . Guſtav F. Abends unter dem Zuſiegeln des Briefs fuhr Beata zum Schloß-Thor hinein. Als er ihre Licht¬ geſtalt, die bald mit ſo vielen Thraͤnen ſollte be¬ deckt werden, heraus ſteigen ſah: prallte er zu¬ ruͤck, ſchrieb die Aufſchrift, gieng zu Bette und zog die Vorhaͤnge zu, um recht ſanft — zu wei¬ nen. Dem Romanen-Steinmetz Oefel eilte er vorzuͤglich aus dem Wege, weil ſeine Minen und Laute nichts als unedle Triumphe ſeines weißagen¬ den Blickes waren; und ſogar Guſtavs Niederge¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/256>, abgerufen am 22.11.2024.