Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

auf. Kurz der Fürst und der Gesellschafter sind in
seinen Herzkammern Wandnachbarn, ob gleich
Todtfeinde. Dieser Gesellschafter subdividirte sich
wieder in zwei Liebhaber, in den kurzen und in
den langen. Seine lange oder perennirende Liebe
besteht in einer kalten verachtenden Galanterie und
in dem Vergnügen an der Feinheit, an dem Wi¬
tze und an der Grazie, womit er und der geliebte
Gegenstand ihre gegenseitigen Siege zu dekoriren
wissen. Seine kurze Liebe besteht in seinem Ver¬
gnügen an jenen Siegen, in so fern sie jene De¬
koration nicht haben. Damit man dieses unschuldi¬
ge Pasquil auf Einen nicht für Satire auf die
meisten Großen halte, so will ich so fortfahren:

Lange Liebe hegt' er gegen die Residentin, bei
deren Gunstbezeugungen man nicht sagen konnte,
das ist die unschuldigste -- die erste -- die letzte.
Eine solche Immobiliarliebe durchflocht er zu glei¬
cher Zeit mit hundert kursorischen Sekunden-Ehen
oder Liebschaften und über dem schleichenden Mo¬
natszeiger der langen fixen Liebe oder Ehe wirbelte
sich der fliegende Terzienweiser der abbrevierten
Ehen unzähligemal um.

Dar¬

auf. Kurz der Fuͤrſt und der Geſellſchafter ſind in
ſeinen Herzkammern Wandnachbarn, ob gleich
Todtfeinde. Dieſer Geſellſchafter ſubdividirte ſich
wieder in zwei Liebhaber, in den kurzen und in
den langen. Seine lange oder perennirende Liebe
beſteht in einer kalten verachtenden Galanterie und
in dem Vergnuͤgen an der Feinheit, an dem Wi¬
tze und an der Grazie, womit er und der geliebte
Gegenſtand ihre gegenſeitigen Siege zu dekoriren
wiſſen. Seine kurze Liebe beſteht in ſeinem Ver¬
gnuͤgen an jenen Siegen, in ſo fern ſie jene De¬
koration nicht haben. Damit man dieſes unſchuldi¬
ge Paſquil auf Einen nicht fuͤr Satire auf die
meiſten Großen halte, ſo will ich ſo fortfahren:

Lange Liebe hegt' er gegen die Reſidentin, bei
deren Gunſtbezeugungen man nicht ſagen konnte,
das iſt die unſchuldigſte — die erſte — die letzte.
Eine ſolche Immobiliarliebe durchflocht er zu glei¬
cher Zeit mit hundert kurſoriſchen Sekunden-Ehen
oder Liebſchaften und uͤber dem ſchleichenden Mo¬
natszeiger der langen fixen Liebe oder Ehe wirbelte
ſich der fliegende Terzienweiſer der abbrevierten
Ehen unzaͤhligemal um.

Dar¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0026" n="16"/>
auf. Kurz der Fu&#x0364;r&#x017F;t und der Ge&#x017F;ell&#x017F;chafter &#x017F;ind in<lb/>
&#x017F;einen Herzkammern Wandnachbarn, ob gleich<lb/>
Todtfeinde. Die&#x017F;er Ge&#x017F;ell&#x017F;chafter &#x017F;ubdividirte &#x017F;ich<lb/>
wieder in zwei Liebhaber, in den kurzen und in<lb/>
den langen. Seine lange oder perennirende Liebe<lb/>
be&#x017F;teht in einer kalten verachtenden Galanterie und<lb/>
in dem Vergnu&#x0364;gen an der Feinheit, an dem Wi¬<lb/>
tze und an der Grazie, womit er und der geliebte<lb/>
Gegen&#x017F;tand ihre gegen&#x017F;eitigen Siege zu dekoriren<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en. Seine kurze Liebe be&#x017F;teht in &#x017F;einem Ver¬<lb/>
gnu&#x0364;gen an jenen Siegen, in &#x017F;o fern &#x017F;ie jene De¬<lb/>
koration nicht haben. Damit man die&#x017F;es un&#x017F;chuldi¬<lb/>
ge Pa&#x017F;quil auf Einen nicht fu&#x0364;r Satire auf die<lb/>
mei&#x017F;ten Großen halte, &#x017F;o will ich &#x017F;o fortfahren:</p><lb/>
            <p>Lange Liebe hegt' er gegen die Re&#x017F;identin, bei<lb/>
deren Gun&#x017F;tbezeugungen man nicht &#x017F;agen konnte,<lb/>
das i&#x017F;t die un&#x017F;chuldig&#x017F;te &#x2014; die er&#x017F;te &#x2014; die letzte.<lb/>
Eine &#x017F;olche Immobiliarliebe durchflocht er zu glei¬<lb/>
cher Zeit mit hundert kur&#x017F;ori&#x017F;chen Sekunden-Ehen<lb/>
oder Lieb&#x017F;chaften und u&#x0364;ber dem &#x017F;chleichenden Mo¬<lb/>
natszeiger der langen fixen Liebe oder Ehe wirbelte<lb/>
&#x017F;ich der fliegende Terzienwei&#x017F;er der abbrevierten<lb/>
Ehen unza&#x0364;hligemal um.<lb/></p>
            <fw place="bottom" type="catch">Dar¬<lb/></fw>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0026] auf. Kurz der Fuͤrſt und der Geſellſchafter ſind in ſeinen Herzkammern Wandnachbarn, ob gleich Todtfeinde. Dieſer Geſellſchafter ſubdividirte ſich wieder in zwei Liebhaber, in den kurzen und in den langen. Seine lange oder perennirende Liebe beſteht in einer kalten verachtenden Galanterie und in dem Vergnuͤgen an der Feinheit, an dem Wi¬ tze und an der Grazie, womit er und der geliebte Gegenſtand ihre gegenſeitigen Siege zu dekoriren wiſſen. Seine kurze Liebe beſteht in ſeinem Ver¬ gnuͤgen an jenen Siegen, in ſo fern ſie jene De¬ koration nicht haben. Damit man dieſes unſchuldi¬ ge Paſquil auf Einen nicht fuͤr Satire auf die meiſten Großen halte, ſo will ich ſo fortfahren: Lange Liebe hegt' er gegen die Reſidentin, bei deren Gunſtbezeugungen man nicht ſagen konnte, das iſt die unſchuldigſte — die erſte — die letzte. Eine ſolche Immobiliarliebe durchflocht er zu glei¬ cher Zeit mit hundert kurſoriſchen Sekunden-Ehen oder Liebſchaften und uͤber dem ſchleichenden Mo¬ natszeiger der langen fixen Liebe oder Ehe wirbelte ſich der fliegende Terzienweiſer der abbrevierten Ehen unzaͤhligemal um. Dar¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/26
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/26>, abgerufen am 21.11.2024.