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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Transitozoll, den sie den Händen aller deiner Kas¬
senbedienten geben müssen, so mager wie weitge¬
reisete Heringe oben in deiner Chatoulle an, daß
du im Grunde von beschwerlichen Summen nicht
mehr bekömmst als bequeme Logarithmen. Die
Fürsten haben wie die ostindischen Krebse Eine Rie¬
sen-Scheere zum Nehmen, und Eine Zwerch-Schee¬
re, den Fang an den Mund zu bringen.

Und so ist die ganze Hauptstadt, wo jeder sich
für regierendes Mitglied ansieht und doch jeder dar¬
über schreiet, daß der andre sich ins Regieren mengt
und daß die Kinder unter den Hermelin wie unter
den väterlichen Schlafrock kriechen und vereinigt den
Vater nachmachen -- wo die Palläste der Großen
aus Höllensteinen gemauert sind, die wie aussätzi¬
ge
Häuser kleinere zernagen -- wo der Minister
den Fürsten auf seiner unempfindlichen Hand wie
der Falkonier den Falken auf der beschuhten trägt
-- wo man die Laster des Volks für die Renten ih¬
rer Obern ansieht und alles moralische Aas wie die
Bienen ihr physisches bloß mit Wachs umklebt, an¬
statt es aus dem Bienenkorb zu tragen, d. h. wo die
Polizei die Moral ersetzen will -- wo wie an einem
jedem Hofe eine moralische Figur so unaussteh¬

Tranſitozoll, den ſie den Haͤnden aller deiner Kaſ¬
ſenbedienten geben muͤſſen, ſo mager wie weitge¬
reiſete Heringe oben in deiner Chatoulle an, daß
du im Grunde von beſchwerlichen Summen nicht
mehr bekoͤmmſt als bequeme Logarithmen. Die
Fuͤrſten haben wie die oſtindiſchen Krebſe Eine Rie¬
ſen-Scheere zum Nehmen, und Eine Zwerch-Schee¬
re, den Fang an den Mund zu bringen.

Und ſo iſt die ganze Hauptſtadt, wo jeder ſich
fuͤr regierendes Mitglied anſieht und doch jeder dar¬
uͤber ſchreiet, daß der andre ſich ins Regieren mengt
und daß die Kinder unter den Hermelin wie unter
den vaͤterlichen Schlafrock kriechen und vereinigt den
Vater nachmachen — wo die Pallaͤſte der Großen
aus Hoͤllenſteinen gemauert ſind, die wie ausſaͤtzi¬
ge
Haͤuſer kleinere zernagen — wo der Miniſter
den Fuͤrſten auf ſeiner unempfindlichen Hand wie
der Falkonier den Falken auf der beſchuhten traͤgt
— wo man die Laſter des Volks fuͤr die Renten ih¬
rer Obern anſieht und alles moraliſche Aas wie die
Bienen ihr phyſiſches bloß mit Wachs umklebt, an¬
ſtatt es aus dem Bienenkorb zu tragen, d. h. wo die
Polizei die Moral erſetzen will — wo wie an einem
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[250/0260] Tranſitozoll, den ſie den Haͤnden aller deiner Kaſ¬ ſenbedienten geben muͤſſen, ſo mager wie weitge¬ reiſete Heringe oben in deiner Chatoulle an, daß du im Grunde von beſchwerlichen Summen nicht mehr bekoͤmmſt als bequeme Logarithmen. Die Fuͤrſten haben wie die oſtindiſchen Krebſe Eine Rie¬ ſen-Scheere zum Nehmen, und Eine Zwerch-Schee¬ re, den Fang an den Mund zu bringen. Und ſo iſt die ganze Hauptſtadt, wo jeder ſich fuͤr regierendes Mitglied anſieht und doch jeder dar¬ uͤber ſchreiet, daß der andre ſich ins Regieren mengt und daß die Kinder unter den Hermelin wie unter den vaͤterlichen Schlafrock kriechen und vereinigt den Vater nachmachen — wo die Pallaͤſte der Großen aus Hoͤllenſteinen gemauert ſind, die wie ausſaͤtzi¬ ge Haͤuſer kleinere zernagen — wo der Miniſter den Fuͤrſten auf ſeiner unempfindlichen Hand wie der Falkonier den Falken auf der beſchuhten traͤgt — wo man die Laſter des Volks fuͤr die Renten ih¬ rer Obern anſieht und alles moraliſche Aas wie die Bienen ihr phyſiſches bloß mit Wachs umklebt, an¬ ſtatt es aus dem Bienenkorb zu tragen, d. h. wo die Polizei die Moral erſetzen will — wo wie an einem jedem Hofe eine moraliſche Figur ſo unausſteh¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/260>, abgerufen am 22.11.2024.