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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Ich thats einige Monate hinter einander;
um den armen Leib wieder in integrum zu restitui¬
ren -- und als ich mich so des gelben Ratzenpulvers
und Mehlsthaues für die Nerven, nämlich des Kaf¬
fees und des Witzes enthielt und statt beider zu brau¬
nem Bier und zu meinem Wuze grif: so wurde
einmal plötzlich die Stube hell, Auenthal und der
Himmel flammend, die Menschen legten ihre Fehler
ab, alle Flächen grünten, alle Kehlen schlugen, alle
Herzen lächelten, ich niesete vor Licht und Wonne
und dachte: entweder eine Göttin ist gekommen oder
der Frühling -- -- es war gar beides und die Göt¬
tin ist die Gesundheit.

Und blos auf deinem Altar will ich meine biogra¬
phischen Blätter weiter schreiben! -- der Pestilenziar
thuts nicht anders; seine Schlüsse und Rezepte sind
die: "ich würde -- sagt' er -- in meiner Biographie
gleich der heißen Zone den ganzen Winter mit allen
seinen Faktis überspringen, da er ohnehin nur wie
in jener Zone im Regnen (der Augen) besteht. Ich
würde wenn ich an deiner Stelle säße, sagen, der
Doktor Fenk wills nicht haben, nicht leiden, nicht le¬
sen, sondern ich soll statt in einer Entfernung von
365 Stunden der vorausschreitenden säenden Ge¬

S 2

Ich thats einige Monate hinter einander;
um den armen Leib wieder in integrum zu reſtitui¬
ren — und als ich mich ſo des gelben Ratzenpulvers
und Mehlsthaues fuͤr die Nerven, naͤmlich des Kaf¬
fees und des Witzes enthielt und ſtatt beider zu brau¬
nem Bier und zu meinem Wuze grif: ſo wurde
einmal ploͤtzlich die Stube hell, Auenthal und der
Himmel flammend, die Menſchen legten ihre Fehler
ab, alle Flaͤchen gruͤnten, alle Kehlen ſchlugen, alle
Herzen laͤchelten, ich nieſete vor Licht und Wonne
und dachte: entweder eine Goͤttin iſt gekommen oder
der Fruͤhling — — es war gar beides und die Goͤt¬
tin iſt die Geſundheit.

Und blos auf deinem Altar will ich meine biogra¬
phiſchen Blaͤtter weiter ſchreiben! — der Peſtilenziar
thuts nicht anders; ſeine Schluͤſſe und Rezepte ſind
die: „ich wuͤrde — ſagt' er — in meiner Biographie
gleich der heißen Zone den ganzen Winter mit allen
ſeinen Faktis uͤberſpringen, da er ohnehin nur wie
in jener Zone im Regnen (der Augen) beſteht. Ich
wuͤrde wenn ich an deiner Stelle ſaͤße, ſagen, der
Doktor Fenk wills nicht haben, nicht leiden, nicht le¬
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[275/0285] Ich thats einige Monate hinter einander; um den armen Leib wieder in integrum zu reſtitui¬ ren — und als ich mich ſo des gelben Ratzenpulvers und Mehlsthaues fuͤr die Nerven, naͤmlich des Kaf¬ fees und des Witzes enthielt und ſtatt beider zu brau¬ nem Bier und zu meinem Wuze grif: ſo wurde einmal ploͤtzlich die Stube hell, Auenthal und der Himmel flammend, die Menſchen legten ihre Fehler ab, alle Flaͤchen gruͤnten, alle Kehlen ſchlugen, alle Herzen laͤchelten, ich nieſete vor Licht und Wonne und dachte: entweder eine Goͤttin iſt gekommen oder der Fruͤhling — — es war gar beides und die Goͤt¬ tin iſt die Geſundheit. Und blos auf deinem Altar will ich meine biogra¬ phiſchen Blaͤtter weiter ſchreiben! — der Peſtilenziar thuts nicht anders; ſeine Schluͤſſe und Rezepte ſind die: „ich wuͤrde — ſagt' er — in meiner Biographie gleich der heißen Zone den ganzen Winter mit allen ſeinen Faktis uͤberſpringen, da er ohnehin nur wie in jener Zone im Regnen (der Augen) beſteht. Ich wuͤrde wenn ich an deiner Stelle ſaͤße, ſagen, der Doktor Fenk wills nicht haben, nicht leiden, nicht le¬ ſen, ſondern ich ſoll ſtatt in einer Entfernung von 365 Stunden der vorausſchreitenden ſaͤenden Ge¬ S 2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/285>, abgerufen am 22.11.2024.