gen des Thales in die Fluren hinübergehen kann. Gegen Westen rückte ein Gewitter mit seinem Don¬ ner-Tritt über den Himmel und hieng sein Bahrtuch von schwarzem Gewölk über die Sonne. Die Gegend sah wie das Leben eines großen, aber nicht glückli¬ chen Menschen aus, der eine Berg glühte vom Flammenblick der Sonne, der andre verdunkelte sich unter der niederfallenden Nacht einer Wolke -- -- drüben in der Abendgegend brauste im Himmel statt des Vogelgesangs das himmlische Pedal, der Donner, und in Kolonnaden von weißen Wassersäu¬ len riß sich der wärmende Regen vom Himmel loß und füllte seine Blumenkelche und Gipfel wieder, aus denen er gestiegen war -- es war einem so feierlich als würde ein Thron für Gott errichtet und alles wartete, daß er darauf nieder stiege.
Gustav und Beata giengen, in den Himmel ver¬ sunken, auf der Terrasse voraus, der Doktor, meine Schwester und ich in einer kleinen Ferne hinter ih¬ nen. Endlich platzten auf dem Laube der Allee ein¬ zelne Regentropfen, die aus dem Saume der breiten Wetterwolke über uns flogen und fielen; -- so bestreift ein donnerndes niederblitzendes Unglück der Nachbar¬ schaft die entlegnen Länder nur mit einigen Thrä¬
gen des Thales in die Fluren hinuͤbergehen kann. Gegen Weſten ruͤckte ein Gewitter mit ſeinem Don¬ ner-Tritt uͤber den Himmel und hieng ſein Bahrtuch von ſchwarzem Gewoͤlk uͤber die Sonne. Die Gegend ſah wie das Leben eines großen, aber nicht gluͤckli¬ chen Menſchen aus, der eine Berg gluͤhte vom Flammenblick der Sonne, der andre verdunkelte ſich unter der niederfallenden Nacht einer Wolke — — druͤben in der Abendgegend brauſte im Himmel ſtatt des Vogelgeſangs das himmliſche Pedal, der Donner, und in Kolonnaden von weißen Waſſerſaͤu¬ len riß ſich der waͤrmende Regen vom Himmel loß und fuͤllte ſeine Blumenkelche und Gipfel wieder, aus denen er geſtiegen war — es war einem ſo feierlich als wuͤrde ein Thron fuͤr Gott errichtet und alles wartete, daß er darauf nieder ſtiege.
Guſtav und Beata giengen, in den Himmel ver¬ ſunken, auf der Terraſſe voraus, der Doktor, meine Schweſter und ich in einer kleinen Ferne hinter ih¬ nen. Endlich platzten auf dem Laube der Allee ein¬ zelne Regentropfen, die aus dem Saume der breiten Wetterwolke uͤber uns flogen und fielen; — ſo beſtreift ein donnerndes niederblitzendes Ungluͤck der Nachbar¬ ſchaft die entlegnen Laͤnder nur mit einigen Thraͤ¬
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gen des Thales in die Fluren hinuͤbergehen kann.
Gegen Weſten ruͤckte ein Gewitter mit ſeinem Don¬
ner-Tritt uͤber den Himmel und hieng ſein Bahrtuch
von ſchwarzem Gewoͤlk uͤber die Sonne. Die Gegend
ſah wie das Leben eines großen, aber nicht gluͤckli¬
chen Menſchen aus, der eine Berg gluͤhte vom
Flammenblick der Sonne, der andre verdunkelte ſich
unter der niederfallenden Nacht einer Wolke — —
druͤben in der Abendgegend brauſte im Himmel ſtatt
des Vogelgeſangs das himmliſche Pedal, der
Donner, und in Kolonnaden von weißen Waſſerſaͤu¬
len riß ſich der waͤrmende Regen vom Himmel loß
und fuͤllte ſeine Blumenkelche und Gipfel wieder, aus
denen er geſtiegen war — es war einem ſo feierlich
als wuͤrde ein Thron fuͤr Gott errichtet und alles
wartete, daß er darauf nieder ſtiege.
Guſtav und Beata giengen, in den Himmel ver¬
ſunken, auf der Terraſſe voraus, der Doktor, meine
Schweſter und ich in einer kleinen Ferne hinter ih¬
nen. Endlich platzten auf dem Laube der Allee ein¬
zelne Regentropfen, die aus dem Saume der breiten
Wetterwolke uͤber uns flogen und fielen; — ſo beſtreift
ein donnerndes niederblitzendes Ungluͤck der Nachbar¬
ſchaft die entlegnen Laͤnder nur mit einigen Thraͤ¬
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/322>, abgerufen am 22.11.2024.
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