Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

Fehler fühlt man erst am tiefsten, wenn sie verziehen
sind -- ) einen solchen Zusatz von Zartheit, von Zu¬
rückhaltung, von Bewustseyn des fremden Werths
gewonnen, daß er sich mehrere Herzen erstritt als
das weichste, und andre Augen beherrschte als die
schönsten an Beaten, vor denen seine Blicke, wie
Schneeflocken unter der nackten Sonne im Blauen,
rein, schimmernd, zitternd und zerrinnend nieder¬
fielen. -- --

-- Jezt kömmt alles, Ottomar und die andern.
-- -- -- -- -- -- -- --
-- -- -- -- -- -- -- --

Meine Uhr schlägt jezt zwei Uhr nach Mitter¬
nacht und noch ist Beatens und des Paradieses Ge¬
burtstag nicht beschlossen: denn ich setze mich jezt
her, ihn zu beschreiben; wenn ich anders auf dem
Stuhl bleibe und nicht wieder in das blaue Gewöl¬
be, das über so viele heutige Freuden seine Sternen-
Stralen warf, hinaus irre.

Gegen abend flog Ottomar über das Wasser her¬
über. Er sieht immer aus wie ein Mann, der an
etwas Weites denkt, der jezt nur ausruhet, der die
hereinhängende Blume der Freude abbricht, weil ihn
seine fliehende Gondel vor ihr vorüberreisset, nicht

weil

Fehler fuͤhlt man erſt am tiefſten, wenn ſie verziehen
ſind — ) einen ſolchen Zuſatz von Zartheit, von Zu¬
ruͤckhaltung, von Bewuſtſeyn des fremden Werths
gewonnen, daß er ſich mehrere Herzen erſtritt als
das weichſte, und andre Augen beherrſchte als die
ſchoͤnſten an Beaten, vor denen ſeine Blicke, wie
Schneeflocken unter der nackten Sonne im Blauen,
rein, ſchimmernd, zitternd und zerrinnend nieder¬
fielen. — —

— Jezt koͤmmt alles, Ottomar und die andern.
— — — — — — — —
— — — — — — — —

Meine Uhr ſchlaͤgt jezt zwei Uhr nach Mitter¬
nacht und noch iſt Beatens und des Paradieſes Ge¬
burtstag nicht beſchloſſen: denn ich ſetze mich jezt
her, ihn zu beſchreiben; wenn ich anders auf dem
Stuhl bleibe und nicht wieder in das blaue Gewoͤl¬
be, das uͤber ſo viele heutige Freuden ſeine Sternen-
Stralen warf, hinaus irre.

Gegen abend flog Ottomar uͤber das Waſſer her¬
uͤber. Er ſieht immer aus wie ein Mann, der an
etwas Weites denkt, der jezt nur ausruhet, der die
hereinhaͤngende Blume der Freude abbricht, weil ihn
ſeine fliehende Gondel vor ihr voruͤberreiſſet, nicht

weil
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0346" n="336"/>
Fehler fu&#x0364;hlt man er&#x017F;t am tief&#x017F;ten, wenn &#x017F;ie verziehen<lb/>
&#x017F;ind &#x2014; ) einen &#x017F;olchen Zu&#x017F;atz von Zartheit, von Zu¬<lb/>
ru&#x0364;ckhaltung, von Bewu&#x017F;t&#x017F;eyn des fremden Werths<lb/>
gewonnen, daß er &#x017F;ich mehrere Herzen er&#x017F;tritt als<lb/>
das weich&#x017F;te, und andre Augen beherr&#x017F;chte als die<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten an Beaten, vor denen &#x017F;eine Blicke, wie<lb/>
Schneeflocken unter der nackten Sonne im Blauen,<lb/>
rein, &#x017F;chimmernd, zitternd und zerrinnend nieder¬<lb/>
fielen. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x2014; Jezt ko&#x0364;mmt alles, Ottomar und die andern.<lb/>
&#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014;<lb/>
&#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Meine Uhr &#x017F;chla&#x0364;gt jezt zwei Uhr nach Mitter¬<lb/>
nacht und noch i&#x017F;t Beatens und des Paradie&#x017F;es Ge¬<lb/>
burtstag nicht be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en: denn ich &#x017F;etze mich jezt<lb/>
her, ihn zu be&#x017F;chreiben; wenn ich anders auf dem<lb/>
Stuhl bleibe und nicht wieder in das blaue Gewo&#x0364;<lb/>
be, das u&#x0364;ber &#x017F;o viele heutige Freuden &#x017F;eine Sternen-<lb/>
Stralen warf, hinaus irre.</p><lb/>
          <p>Gegen abend flog Ottomar u&#x0364;ber das Wa&#x017F;&#x017F;er her¬<lb/>
u&#x0364;ber. Er &#x017F;ieht immer aus wie ein Mann, der an<lb/>
etwas Weites denkt, der jezt nur ausruhet, der die<lb/>
hereinha&#x0364;ngende Blume der Freude abbricht, weil ihn<lb/>
&#x017F;eine fliehende Gondel vor ihr voru&#x0364;berrei&#x017F;&#x017F;et, nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">weil<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0346] Fehler fuͤhlt man erſt am tiefſten, wenn ſie verziehen ſind — ) einen ſolchen Zuſatz von Zartheit, von Zu¬ ruͤckhaltung, von Bewuſtſeyn des fremden Werths gewonnen, daß er ſich mehrere Herzen erſtritt als das weichſte, und andre Augen beherrſchte als die ſchoͤnſten an Beaten, vor denen ſeine Blicke, wie Schneeflocken unter der nackten Sonne im Blauen, rein, ſchimmernd, zitternd und zerrinnend nieder¬ fielen. — — — Jezt koͤmmt alles, Ottomar und die andern. — — — — — — — — — — — — — — — — Meine Uhr ſchlaͤgt jezt zwei Uhr nach Mitter¬ nacht und noch iſt Beatens und des Paradieſes Ge¬ burtstag nicht beſchloſſen: denn ich ſetze mich jezt her, ihn zu beſchreiben; wenn ich anders auf dem Stuhl bleibe und nicht wieder in das blaue Gewoͤl¬ be, das uͤber ſo viele heutige Freuden ſeine Sternen- Stralen warf, hinaus irre. Gegen abend flog Ottomar uͤber das Waſſer her¬ uͤber. Er ſieht immer aus wie ein Mann, der an etwas Weites denkt, der jezt nur ausruhet, der die hereinhaͤngende Blume der Freude abbricht, weil ihn ſeine fliehende Gondel vor ihr voruͤberreiſſet, nicht weil

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/346
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/346>, abgerufen am 22.11.2024.