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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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ihm an, daß er sterben wollte. Es war Nacht.
Wir waren in der Stube, wo die wächsernen Mu¬
mien mit schwarzen Sträußern stehen, die den
Menschen erinnern wie wenig er war, wie wenig
er ist. "Beuge, sagt er (denn ich kettete mich an
ihn) deinen Kopf weg, daß ich in den Sirius se¬
he -- daß ich in den unendlichen Himmel hinaus¬
sehe und einen Trost habe -- daß ich mich hinweg¬
setze über eine Erde mehr oder weniger -- o mache
mir, Freund, das Sterben nicht so sauer -- und
zürne und traure nicht -- o schau, wie der ganze
Himmel von einer Unendlichkeit zur andern schim¬
mert und lebt und nichts droben tod ist -- die
Menschen aller dieser Wachs-Leichname wohnen
drinnen in jenem Blauen -- o ihr abgeschiednen,
heute zieh ich auch zu euch, in welche Sonne auch
mein menschlicher Lichtfunke springen möge, wenn
der Körper von ihm nieder schmilzt: ich find' euch
wieder." --

Das Ausschlagen jeder Viertelstunde hatte bis¬
her mein Herz durchstochen; aber die letzte Vier¬
telstunde tönte mich wie eine Leichenglocke an; ich
bewachte ängstlich seine Hände und Schritte; er
fiel um mich: Nein! nein! sagt' ich, hier ist

ihm an, daß er ſterben wollte. Es war Nacht.
Wir waren in der Stube, wo die waͤchſernen Mu¬
mien mit ſchwarzen Straͤußern ſtehen, die den
Menſchen erinnern wie wenig er war, wie wenig
er iſt. „Beuge, ſagt er (denn ich kettete mich an
ihn) deinen Kopf weg, daß ich in den Sirius ſe¬
he — daß ich in den unendlichen Himmel hinaus¬
ſehe und einen Troſt habe — daß ich mich hinweg¬
ſetze uͤber eine Erde mehr oder weniger — o mache
mir, Freund, das Sterben nicht ſo ſauer — und
zuͤrne und traure nicht — o ſchau, wie der ganze
Himmel von einer Unendlichkeit zur andern ſchim¬
mert und lebt und nichts droben tod iſt — die
Menſchen aller dieſer Wachs-Leichname wohnen
drinnen in jenem Blauen — o ihr abgeſchiednen,
heute zieh ich auch zu euch, in welche Sonne auch
mein menſchlicher Lichtfunke ſpringen moͤge, wenn
der Koͤrper von ihm nieder ſchmilzt: ich find' euch
wieder.“ —

Das Ausſchlagen jeder Viertelſtunde hatte bis¬
her mein Herz durchſtochen; aber die letzte Vier¬
telſtunde toͤnte mich wie eine Leichenglocke an; ich
bewachte aͤngſtlich ſeine Haͤnde und Schritte; er
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[366/0376] ihm an, daß er ſterben wollte. Es war Nacht. Wir waren in der Stube, wo die waͤchſernen Mu¬ mien mit ſchwarzen Straͤußern ſtehen, die den Menſchen erinnern wie wenig er war, wie wenig er iſt. „Beuge, ſagt er (denn ich kettete mich an ihn) deinen Kopf weg, daß ich in den Sirius ſe¬ he — daß ich in den unendlichen Himmel hinaus¬ ſehe und einen Troſt habe — daß ich mich hinweg¬ ſetze uͤber eine Erde mehr oder weniger — o mache mir, Freund, das Sterben nicht ſo ſauer — und zuͤrne und traure nicht — o ſchau, wie der ganze Himmel von einer Unendlichkeit zur andern ſchim¬ mert und lebt und nichts droben tod iſt — die Menſchen aller dieſer Wachs-Leichname wohnen drinnen in jenem Blauen — o ihr abgeſchiednen, heute zieh ich auch zu euch, in welche Sonne auch mein menſchlicher Lichtfunke ſpringen moͤge, wenn der Koͤrper von ihm nieder ſchmilzt: ich find' euch wieder.“ — Das Ausſchlagen jeder Viertelſtunde hatte bis¬ her mein Herz durchſtochen; aber die letzte Vier¬ telſtunde toͤnte mich wie eine Leichenglocke an; ich bewachte aͤngſtlich ſeine Haͤnde und Schritte; er fiel um mich: Nein! nein! ſagt' ich, hier iſt

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/376>, abgerufen am 22.11.2024.