du es aus, wenn ich noch mehr sage? -- daß es nur ein Zufall ist, daß Ottomar noch lebt. -- -- Ich brachte ihm die Nachricht unseres Unglücks. Mit einem schrecklichen Sträuben seiner Natur, in der jede Fieber mit einem andern Schauer kämpf¬ te, hört' er mir zu und fragte mich ob keiner mit sechs Fingern gefangen genommen worden: "ich habe in jener Waldhöle (sagt' er) einen schweren Eid gethan, unsere unterirdische Verbindung nie¬ mand zu offenbaren, ausgenommen eine Stunde vor meinem Tode: Fenk, ich will dir jezt die ganze Verbindung offenbaren." -- Mein Sträu¬ ben und Flehen half nichts: er offenbarte mir al¬ les, "Gustav muß gerechtfertigt werden sagt' er" -- aber diese Geschichte ist nirgends sicher, kaum im getreuesten Busen, geschweige auf diesem Pa¬ pier. Ottomar wurde von seiner sogenannten Ver¬ nichtungs-Minute angefallen. Ich ließ seine Hand nicht aus meiner, damit er über seine Stunde hinauslebte und seinen Eid bräche. -- Es giebt nichts höheres als einen Menschen, der das Leben verachtet; und in dieser Hoheit stand mein Freund vor mir, der in seiner Höle mehr gewagt und bes¬ ser gelebt hatte als alle Scheerauer -- Ich sah es
du es aus, wenn ich noch mehr ſage? — daß es nur ein Zufall iſt, daß Ottomar noch lebt. — — Ich brachte ihm die Nachricht unſeres Ungluͤcks. Mit einem ſchrecklichen Straͤuben ſeiner Natur, in der jede Fieber mit einem andern Schauer kaͤmpf¬ te, hoͤrt' er mir zu und fragte mich ob keiner mit ſechs Fingern gefangen genommen worden: „ich habe in jener Waldhoͤle (ſagt' er) einen ſchweren Eid gethan, unſere unterirdiſche Verbindung nie¬ mand zu offenbaren, ausgenommen eine Stunde vor meinem Tode: Fenk, ich will dir jezt die ganze Verbindung offenbaren.“ — Mein Straͤu¬ ben und Flehen half nichts: er offenbarte mir al¬ les, „Guſtav muß gerechtfertigt werden ſagt' er“ — aber dieſe Geſchichte iſt nirgends ſicher, kaum im getreueſten Buſen, geſchweige auf dieſem Pa¬ pier. Ottomar wurde von ſeiner ſogenannten Ver¬ nichtungs-Minute angefallen. Ich ließ ſeine Hand nicht aus meiner, damit er uͤber ſeine Stunde hinauslebte und ſeinen Eid braͤche. — Es giebt nichts hoͤheres als einen Menſchen, der das Leben verachtet; und in dieſer Hoheit ſtand mein Freund vor mir, der in ſeiner Hoͤle mehr gewagt und beſ¬ ſer gelebt hatte als alle Scheerauer — Ich ſah es
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du es aus, wenn ich noch mehr ſage? — daß es
nur ein Zufall iſt, daß Ottomar noch lebt. — —
Ich brachte ihm die Nachricht unſeres Ungluͤcks.
Mit einem ſchrecklichen Straͤuben ſeiner Natur, in
der jede Fieber mit einem andern Schauer kaͤmpf¬
te, hoͤrt' er mir zu und fragte mich ob keiner mit
ſechs Fingern gefangen genommen worden: „ich
habe in jener Waldhoͤle (ſagt' er) einen ſchweren
Eid gethan, unſere unterirdiſche Verbindung nie¬
mand zu offenbaren, ausgenommen eine Stunde
vor meinem Tode: Fenk, ich will dir jezt die
ganze Verbindung offenbaren.“ — Mein Straͤu¬
ben und Flehen half nichts: er offenbarte mir al¬
les, „Guſtav muß gerechtfertigt werden ſagt' er“
— aber dieſe Geſchichte iſt nirgends ſicher, kaum
im getreueſten Buſen, geſchweige auf dieſem Pa¬
pier. Ottomar wurde von ſeiner ſogenannten Ver¬
nichtungs-Minute angefallen. Ich ließ ſeine Hand
nicht aus meiner, damit er uͤber ſeine Stunde
hinauslebte und ſeinen Eid braͤche. — Es giebt
nichts hoͤheres als einen Menſchen, der das Leben
verachtet; und in dieſer Hoheit ſtand mein Freund
vor mir, der in ſeiner Hoͤle mehr gewagt und beſ¬
ſer gelebt hatte als alle Scheerauer — Ich ſah es
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/375>, abgerufen am 22.11.2024.
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