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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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innerungs-hohen-Opern in seinen Rousseaui¬
schen Spatziergängen, die ich da vor mich lege,
um nicht zu lügen . . . .

Allein ich schnüre mir den Fuß mit lauter Wur¬
zelngeflecht und Dickigt ein, wenn ichs nicht dadurch
wegreiße, daß ich einen gewissen äußerst wichtigen
Umstand aus seinem männlichen Alter herausschnei¬
de und sogleich jezt aufsetze; nachher aber soll ordent¬
lich a priori angefangen und mit dem Schulmeister¬
lein langsam in den drei aufsteigenden Zeichen
der Alters[-]Stufen hinauf und auf der andern Seite
in den drei niedersteigenden wieder hinabge¬
gangen werden -- bis Wuz am Fuß der tiefsten Stu¬
fe vor uns ins Grab fällt.

Ich wolte, ich hätte dieses Gleichniß nicht ge¬
nommen. So oft ich in Lavaters Fragmenten oder
in Comenii orbis pictus oder an einer Wand das
Blut- und Trauergerüste der sieben Lebens-Statio¬
nen
besah -- so oft ich zuschauete, wie das ge¬
malte Geschöpf, sich verlängernd und ausstreckend,
die Ameisen-Pyramide aufklettert, drei Minuten
droben sich umblickt und einkriechend auf der an¬
dern Seite niederfährt und abgekürzt umkugelt auf
die um diese Schädelstätte liegende Vorwelt -- und

innerungs-hohen-Opern in ſeinen Rouſſeaui¬
ſchen Spatziergaͤngen, die ich da vor mich lege,
um nicht zu luͤgen . . . .

Allein ich ſchnuͤre mir den Fuß mit lauter Wur¬
zelngeflecht und Dickigt ein, wenn ichs nicht dadurch
wegreiße, daß ich einen gewiſſen aͤußerſt wichtigen
Umſtand aus ſeinem maͤnnlichen Alter herausſchnei¬
de und ſogleich jezt aufſetze; nachher aber ſoll ordent¬
lich a priori angefangen und mit dem Schulmeiſter¬
lein langſam in den drei aufſteigenden Zeichen
der Alters[-]Stufen hinauf und auf der andern Seite
in den drei niederſteigenden wieder hinabge¬
gangen werden — bis Wuz am Fuß der tiefſten Stu¬
fe vor uns ins Grab faͤllt.

Ich wolte, ich haͤtte dieſes Gleichniß nicht ge¬
nommen. So oft ich in Lavaters Fragmenten oder
in Comenii orbis pictus oder an einer Wand das
Blut- und Trauergeruͤſte der ſieben Lebens-Statio¬
nen
beſah — ſo oft ich zuſchauete, wie das ge¬
malte Geſchoͤpf, ſich verlaͤngernd und ausſtreckend,
die Ameiſen-Pyramide aufklettert, drei Minuten
droben ſich umblickt und einkriechend auf der an¬
dern Seite niederfaͤhrt und abgekuͤrzt umkugelt auf
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[375/0385] innerungs-hohen-Opern in ſeinen Rouſſeaui¬ ſchen Spatziergaͤngen, die ich da vor mich lege, um nicht zu luͤgen . . . . Allein ich ſchnuͤre mir den Fuß mit lauter Wur¬ zelngeflecht und Dickigt ein, wenn ichs nicht dadurch wegreiße, daß ich einen gewiſſen aͤußerſt wichtigen Umſtand aus ſeinem maͤnnlichen Alter herausſchnei¬ de und ſogleich jezt aufſetze; nachher aber ſoll ordent¬ lich a priori angefangen und mit dem Schulmeiſter¬ lein langſam in den drei aufſteigenden Zeichen der Alters-Stufen hinauf und auf der andern Seite in den drei niederſteigenden wieder hinabge¬ gangen werden — bis Wuz am Fuß der tiefſten Stu¬ fe vor uns ins Grab faͤllt. Ich wolte, ich haͤtte dieſes Gleichniß nicht ge¬ nommen. So oft ich in Lavaters Fragmenten oder in Comenii orbis pictus oder an einer Wand das Blut- und Trauergeruͤſte der ſieben Lebens-Statio¬ nen beſah — ſo oft ich zuſchauete, wie das ge¬ malte Geſchoͤpf, ſich verlaͤngernd und ausſtreckend, die Ameiſen-Pyramide aufklettert, drei Minuten droben ſich umblickt und einkriechend auf der an¬ dern Seite niederfaͤhrt und abgekuͤrzt umkugelt auf die um dieſe Schaͤdelſtaͤtte liegende Vorwelt — und

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/385>, abgerufen am 22.11.2024.