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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Wir müssen schon am Sonnabend ins Schul-
und Hochzeithaus gucken, um die Prämissen dieses
Rüsttags zum Hochzeittag ein wenig vorher wegzu¬
haben: am Sonntag haben wir keine Zeit dazu;
so gieng auch die Schöpfung der Welt (nach den
ältern Theologen) darum in 6 Tagwerken und nicht
in Einer Minute vor, damit die Engel das Na¬
turbuch, wenn es allmählig aufgeblättert würde,
leichter zu übersehen hätten. Am Sonnabend rennt
der Bräutigam auffallend in zwei corporibus piis
aus und ein, im Pfarr- und Schulhaus, um vier
Sessel aus jenem in dieses zu schaffen. Er borgte
diese Gestelle dem Senior ab, um den Kommoda¬
tor selbst darauf zu weisen als seinen Hierarchen,
und die Seniorin als Fr. Pathin der Braut, und
den Subpräfektus aus dem Alumneum und die
Braut selbst. Ich weiß so gut als andre, in wie
weit dieser miethende Luxus des Bräutigams nicht
in Schutz zu nehmen ist: allerdings papillotirten
die gigantischen Miethstühle (Menschen und Sessel
schrumpfen jetzt ein) ihre falschen Rindshaar-Tou¬
ren an Lehne und Sitz, mit blauem Tuch, Milch¬
straßen von gelben Nägeln sprangen auf gelben
Schnüren als Blitze herum und es bleibt gewiß, daß

2. Theil. D d

Wir muͤſſen ſchon am Sonnabend ins Schul-
und Hochzeithaus gucken, um die Praͤmiſſen dieſes
Ruͤſttags zum Hochzeittag ein wenig vorher wegzu¬
haben: am Sonntag haben wir keine Zeit dazu;
ſo gieng auch die Schoͤpfung der Welt (nach den
aͤltern Theologen) darum in 6 Tagwerken und nicht
in Einer Minute vor, damit die Engel das Na¬
turbuch, wenn es allmaͤhlig aufgeblaͤttert wuͤrde,
leichter zu uͤberſehen haͤtten. Am Sonnabend rennt
der Braͤutigam auffallend in zwei corporibus piis
aus und ein, im Pfarr- und Schulhaus, um vier
Seſſel aus jenem in dieſes zu ſchaffen. Er borgte
dieſe Geſtelle dem Senior ab, um den Kommoda¬
tor ſelbſt darauf zu weiſen als ſeinen Hierarchen,
und die Seniorin als Fr. Pathin der Braut, und
den Subpraͤfektus aus dem Alumneum und die
Braut ſelbſt. Ich weiß ſo gut als andre, in wie
weit dieſer miethende Luxus des Braͤutigams nicht
in Schutz zu nehmen iſt: allerdings papillotirten
die gigantiſchen Miethſtuͤhle (Menſchen und Seſſel
ſchrumpfen jetzt ein) ihre falſchen Rindshaar-Tou¬
ren an Lehne und Sitz, mit blauem Tuch, Milch¬
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Schnuͤren als Blitze herum und es bleibt gewiß, daß

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[417/0427] Wir muͤſſen ſchon am Sonnabend ins Schul- und Hochzeithaus gucken, um die Praͤmiſſen dieſes Ruͤſttags zum Hochzeittag ein wenig vorher wegzu¬ haben: am Sonntag haben wir keine Zeit dazu; ſo gieng auch die Schoͤpfung der Welt (nach den aͤltern Theologen) darum in 6 Tagwerken und nicht in Einer Minute vor, damit die Engel das Na¬ turbuch, wenn es allmaͤhlig aufgeblaͤttert wuͤrde, leichter zu uͤberſehen haͤtten. Am Sonnabend rennt der Braͤutigam auffallend in zwei corporibus piis aus und ein, im Pfarr- und Schulhaus, um vier Seſſel aus jenem in dieſes zu ſchaffen. Er borgte dieſe Geſtelle dem Senior ab, um den Kommoda¬ tor ſelbſt darauf zu weiſen als ſeinen Hierarchen, und die Seniorin als Fr. Pathin der Braut, und den Subpraͤfektus aus dem Alumneum und die Braut ſelbſt. Ich weiß ſo gut als andre, in wie weit dieſer miethende Luxus des Braͤutigams nicht in Schutz zu nehmen iſt: allerdings papillotirten die gigantiſchen Miethſtuͤhle (Menſchen und Seſſel ſchrumpfen jetzt ein) ihre falſchen Rindshaar-Tou¬ ren an Lehne und Sitz, mit blauem Tuch, Milch¬ ſtraßen von gelben Naͤgeln ſprangen auf gelben Schnuͤren als Blitze herum und es bleibt gewiß, daß 2. Theil. D d

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/427>, abgerufen am 15.06.2024.