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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Aber wahrhaftig ich bin weder seinem Ehren¬
tage beigewohnet noch einem eignen; ich will ihn
also bestens beschreiben und mir -- ich hätte sonst
gar nichts -- eine Lustparthie zusammen machen.

Ich weiß überhaupt keinen schicklichern Ort oder
Bogen als diesen dazu, daß die Leser bedenken,
was ich ausstehe: die magischen Schweizergegenden,
in denen ich mich lagere -- die Apollo's und Ve¬
nusgestalten, denen sich mein Auge ansaugt --
das erhabne Vaterland, für das ich das Leben hin¬
gebe, das es vorher geadelt hat -- das Brautbett,
in das ich einsteige, alles das ist von fremden oder
eignen Fingern bloß -- gemalt mit Dinte oder
Druckerschwärze; und wenn nur du, du Himmli¬
sche, der ich treu bleibe, die mir treu bleibt, mit
der ich in arkadischen Julius-Nächten spatzieren ge¬
he, mit der ich vor der untergehenden Sonne und
vor dem aufsteigenden Monde stehe und um deren
willen ich alle deine Schwestern liebt, wenn nur
du -- wärest; aber du bist ein Altarblatt und
ich finde dich nicht.

Dem Nil, dem Herkules und andern Göttern
brachte man zwar auch wie mir nur nachbossirte
Mädchen dar; aber vorher bekamen sie doch reelle.

Wir

Aber wahrhaftig ich bin weder ſeinem Ehren¬
tage beigewohnet noch einem eignen; ich will ihn
alſo beſtens beſchreiben und mir — ich haͤtte ſonſt
gar nichts — eine Luſtparthie zuſammen machen.

Ich weiß uͤberhaupt keinen ſchicklichern Ort oder
Bogen als dieſen dazu, daß die Leſer bedenken,
was ich ausſtehe: die magiſchen Schweizergegenden,
in denen ich mich lagere — die Apollo's und Ve¬
nusgeſtalten, denen ſich mein Auge anſaugt —
das erhabne Vaterland, fuͤr das ich das Leben hin¬
gebe, das es vorher geadelt hat — das Brautbett,
in das ich einſteige, alles das iſt von fremden oder
eignen Fingern bloß — gemalt mit Dinte oder
Druckerſchwaͤrze; und wenn nur du, du Himmli¬
ſche, der ich treu bleibe, die mir treu bleibt, mit
der ich in arkadiſchen Julius-Naͤchten ſpatzieren ge¬
he, mit der ich vor der untergehenden Sonne und
vor dem aufſteigenden Monde ſtehe und um deren
willen ich alle deine Schweſtern liebt, wenn nur
du — waͤreſt; aber du biſt ein Altarblatt und
ich finde dich nicht.

Dem Nil, dem Herkules und andern Goͤttern
brachte man zwar auch wie mir nur nachboſſirte
Maͤdchen dar; aber vorher bekamen ſie doch reelle.

Wir
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[416/0426] Aber wahrhaftig ich bin weder ſeinem Ehren¬ tage beigewohnet noch einem eignen; ich will ihn alſo beſtens beſchreiben und mir — ich haͤtte ſonſt gar nichts — eine Luſtparthie zuſammen machen. Ich weiß uͤberhaupt keinen ſchicklichern Ort oder Bogen als dieſen dazu, daß die Leſer bedenken, was ich ausſtehe: die magiſchen Schweizergegenden, in denen ich mich lagere — die Apollo's und Ve¬ nusgeſtalten, denen ſich mein Auge anſaugt — das erhabne Vaterland, fuͤr das ich das Leben hin¬ gebe, das es vorher geadelt hat — das Brautbett, in das ich einſteige, alles das iſt von fremden oder eignen Fingern bloß — gemalt mit Dinte oder Druckerſchwaͤrze; und wenn nur du, du Himmli¬ ſche, der ich treu bleibe, die mir treu bleibt, mit der ich in arkadiſchen Julius-Naͤchten ſpatzieren ge¬ he, mit der ich vor der untergehenden Sonne und vor dem aufſteigenden Monde ſtehe und um deren willen ich alle deine Schweſtern liebt, wenn nur du — waͤreſt; aber du biſt ein Altarblatt und ich finde dich nicht. Dem Nil, dem Herkules und andern Goͤttern brachte man zwar auch wie mir nur nachboſſirte Maͤdchen dar; aber vorher bekamen ſie doch reelle. Wir

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/426>, abgerufen am 16.06.2024.