Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

Hände gekommen, vergaß die Residentin zu geben,
weil sie hundert Antworten dazu wußte; Beata
vergaß sie zu verlangen, weil sie das eben merkte.

"Für Ihr Gesicht -- sagte sie im lustigsten To¬
ne, in dem sie ohne Bedenken das Gute von ih¬
ren Reizen sagte, das andre im ernsthaften davon
sprachen -- "könnt' ich Ihnen keines geben als
mein eignes; das muß ich aber meinem Bruder in
Sachsen samt dem Garten schicken -- malen kön¬
nen sie es mit zum Park, damit beide Stücke Ei¬
nen Meister hätten." Dem scherzhaften Tone ist
weit schwerer etwas abzuschlagen als dem ernsthaf¬
ten -- höchstens nur wieder im lustigen; aber zu
diesem waren in Gustav alle Saiten abgerissen.
Beata hatte die Anspielung auf den Park nicht ver¬
standen; Bouse brachte die ganze Landschaftszeich¬
nung und fragte sie: was Ihr am meisten gefiele.
Diese war für das Schattenreich und Abendthal
(warum ließ sie den Eremitenberg aus?) "aber die
Menschen im Garten?" -- die arme Inquisitin hef¬
tete ihren stillen Blick fester aufs Abendthal -- "be¬
sonders die schöne Venus hier im Abendthal?" --
sie mußte endlich reden und sagte unbefangen: "der
Bildhauer wird sich nicht über den Zeichner zu be¬

C 2

Haͤnde gekommen, vergaß die Reſidentin zu geben,
weil ſie hundert Antworten dazu wußte; Beata
vergaß ſie zu verlangen, weil ſie das eben merkte.

„Fuͤr Ihr Geſicht — ſagte ſie im luſtigſten To¬
ne, in dem ſie ohne Bedenken das Gute von ih¬
ren Reizen ſagte, das andre im ernſthaften davon
ſprachen — „koͤnnt' ich Ihnen keines geben als
mein eignes; das muß ich aber meinem Bruder in
Sachſen ſamt dem Garten ſchicken — malen koͤn¬
nen ſie es mit zum Park, damit beide Stuͤcke Ei¬
nen Meiſter haͤtten.“ Dem ſcherzhaften Tone iſt
weit ſchwerer etwas abzuſchlagen als dem ernſthaf¬
ten — hoͤchſtens nur wieder im luſtigen; aber zu
dieſem waren in Guſtav alle Saiten abgeriſſen.
Beata hatte die Anſpielung auf den Park nicht ver¬
ſtanden; Bouſe brachte die ganze Landſchaftszeich¬
nung und fragte ſie: was Ihr am meiſten gefiele.
Dieſe war fuͤr das Schattenreich und Abendthal
(warum ließ ſie den Eremitenberg aus?) „aber die
Menſchen im Garten?“ — die arme Inquiſitin hef¬
tete ihren ſtillen Blick feſter aufs Abendthal — „be¬
ſonders die ſchoͤne Venus hier im Abendthal?“ —
ſie mußte endlich reden und ſagte unbefangen: „der
Bildhauer wird ſich nicht uͤber den Zeichner zu be¬

C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0045" n="35"/>
Ha&#x0364;nde gekommen, vergaß die Re&#x017F;identin zu geben,<lb/>
weil &#x017F;ie hundert Antworten dazu wußte; Beata<lb/>
vergaß &#x017F;ie zu verlangen, weil &#x017F;ie das eben merkte.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Fu&#x0364;r Ihr Ge&#x017F;icht &#x2014; &#x017F;agte &#x017F;ie im lu&#x017F;tig&#x017F;ten To¬<lb/>
ne, in dem &#x017F;ie ohne Bedenken das Gute von ih¬<lb/>
ren Reizen &#x017F;agte, das andre im ern&#x017F;thaften davon<lb/>
&#x017F;prachen &#x2014; &#x201E;ko&#x0364;nnt' ich Ihnen keines geben als<lb/>
mein eignes; <choice><sic>daß</sic><corr>das</corr></choice> muß ich aber meinem <hi rendition="#g">Bruder</hi> in<lb/>
Sach&#x017F;en &#x017F;amt dem Garten &#x017F;chicken &#x2014; malen ko&#x0364;<lb/>
nen &#x017F;ie es mit zum Park, damit beide Stu&#x0364;cke Ei¬<lb/>
nen Mei&#x017F;ter ha&#x0364;tten.&#x201C; Dem &#x017F;cherzhaften Tone i&#x017F;t<lb/>
weit &#x017F;chwerer etwas abzu&#x017F;chlagen als dem ern&#x017F;thaf¬<lb/>
ten &#x2014; ho&#x0364;ch&#x017F;tens nur wieder im lu&#x017F;tigen; aber zu<lb/>
die&#x017F;em waren in Gu&#x017F;tav alle Saiten abgeri&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Beata hatte die An&#x017F;pielung auf den Park nicht ver¬<lb/>
&#x017F;tanden; Bou&#x017F;e brachte die ganze Land&#x017F;chaftszeich¬<lb/>
nung und fragte &#x017F;ie: was Ihr am mei&#x017F;ten gefiele.<lb/>
Die&#x017F;e war fu&#x0364;r das Schattenreich und Abendthal<lb/>
(warum ließ &#x017F;ie den Eremitenberg aus?) &#x201E;aber die<lb/>
Men&#x017F;chen im Garten?&#x201C; &#x2014; die arme Inqui&#x017F;itin hef¬<lb/>
tete ihren &#x017F;tillen Blick fe&#x017F;ter aufs Abendthal &#x2014; &#x201E;be¬<lb/>
&#x017F;onders die &#x017F;cho&#x0364;ne Venus hier im Abendthal?&#x201C; &#x2014;<lb/>
&#x017F;ie mußte endlich reden und &#x017F;agte unbefangen: &#x201E;der<lb/>
Bildhauer wird &#x017F;ich nicht u&#x0364;ber den Zeichner zu be¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 2<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0045] Haͤnde gekommen, vergaß die Reſidentin zu geben, weil ſie hundert Antworten dazu wußte; Beata vergaß ſie zu verlangen, weil ſie das eben merkte. „Fuͤr Ihr Geſicht — ſagte ſie im luſtigſten To¬ ne, in dem ſie ohne Bedenken das Gute von ih¬ ren Reizen ſagte, das andre im ernſthaften davon ſprachen — „koͤnnt' ich Ihnen keines geben als mein eignes; das muß ich aber meinem Bruder in Sachſen ſamt dem Garten ſchicken — malen koͤn¬ nen ſie es mit zum Park, damit beide Stuͤcke Ei¬ nen Meiſter haͤtten.“ Dem ſcherzhaften Tone iſt weit ſchwerer etwas abzuſchlagen als dem ernſthaf¬ ten — hoͤchſtens nur wieder im luſtigen; aber zu dieſem waren in Guſtav alle Saiten abgeriſſen. Beata hatte die Anſpielung auf den Park nicht ver¬ ſtanden; Bouſe brachte die ganze Landſchaftszeich¬ nung und fragte ſie: was Ihr am meiſten gefiele. Dieſe war fuͤr das Schattenreich und Abendthal (warum ließ ſie den Eremitenberg aus?) „aber die Menſchen im Garten?“ — die arme Inquiſitin hef¬ tete ihren ſtillen Blick feſter aufs Abendthal — „be¬ ſonders die ſchoͤne Venus hier im Abendthal?“ — ſie mußte endlich reden und ſagte unbefangen: „der Bildhauer wird ſich nicht uͤber den Zeichner zu be¬ C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/45
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/45>, abgerufen am 21.11.2024.