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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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gen seine elysäischen Achtwochen an -- ich sah daß
der, dem damals dieser Kirschbaum Wohlgeruch
und Träume gab, dort im drückenden Traume ge¬
ruchloß liege und vielleicht noch heute aus dieser Stu¬
be ausziehe und daß alles, alles vorüber sei und nie¬
mals wieder komme . . . . und in dieser Minute
fieng Wuz mit dem ungelähmten Arme nach etwas
als wollt' er einen entfallenden Himmel erfassen --
-- und in dieser zitternden Minute knisterte der Mo¬
natszeiger meiner Uhr und fuhr, weils 12 Uhr war,
vom 12ten Mai zum 13ten über. . . . Der Tod
schien mir meine Uhr zu stellen, ich hörte ihn den
Menschen und seine Freuden käuen, und die Welt
und die Zeit schien in einem Strom von Moder sich
in den Abgrund hinab zu bröckeln! . . .

Ich denke an diese bebende Minute bei jedem
mitternächtlichen Ueberspringen meines Monatszei¬
gers; aber sie trete nie mehr unter die kurze Reihe
meiner übrigen Minuten.

Der Sterbende -- er wird kaum diesen Namen
lange mehr haben -- schlug zwei lodernde Augen auf
und sah mich lange an, um mich zu kennen. Ihm
hatte geträumt, er schwankte als ein Kind sich auf
einem Lilienbeete, das unter ihm aufgewallet -- die¬

gen ſeine elyſaͤiſchen Achtwochen an — ich ſah daß
der, dem damals dieſer Kirſchbaum Wohlgeruch
und Traͤume gab, dort im druͤckenden Traume ge¬
ruchloß liege und vielleicht noch heute aus dieſer Stu¬
be ausziehe und daß alles, alles voruͤber ſei und nie¬
mals wieder komme . . . . und in dieſer Minute
fieng Wuz mit dem ungelaͤhmten Arme nach etwas
als wollt' er einen entfallenden Himmel erfaſſen —
— und in dieſer zitternden Minute kniſterte der Mo¬
natszeiger meiner Uhr und fuhr, weils 12 Uhr war,
vom 12ten Mai zum 13ten uͤber. . . . Der Tod
ſchien mir meine Uhr zu ſtellen, ich hoͤrte ihn den
Menſchen und ſeine Freuden kaͤuen, und die Welt
und die Zeit ſchien in einem Strom von Moder ſich
in den Abgrund hinab zu broͤckeln! . . .

Ich denke an dieſe bebende Minute bei jedem
mitternaͤchtlichen Ueberſpringen meines Monatszei¬
gers; aber ſie trete nie mehr unter die kurze Reihe
meiner uͤbrigen Minuten.

Der Sterbende — er wird kaum dieſen Namen
lange mehr haben — ſchlug zwei lodernde Augen auf
und ſah mich lange an, um mich zu kennen. Ihm
hatte getraͤumt, er ſchwankte als ein Kind ſich auf
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[442/0452] gen ſeine elyſaͤiſchen Achtwochen an — ich ſah daß der, dem damals dieſer Kirſchbaum Wohlgeruch und Traͤume gab, dort im druͤckenden Traume ge¬ ruchloß liege und vielleicht noch heute aus dieſer Stu¬ be ausziehe und daß alles, alles voruͤber ſei und nie¬ mals wieder komme . . . . und in dieſer Minute fieng Wuz mit dem ungelaͤhmten Arme nach etwas als wollt' er einen entfallenden Himmel erfaſſen — — und in dieſer zitternden Minute kniſterte der Mo¬ natszeiger meiner Uhr und fuhr, weils 12 Uhr war, vom 12ten Mai zum 13ten uͤber. . . . Der Tod ſchien mir meine Uhr zu ſtellen, ich hoͤrte ihn den Menſchen und ſeine Freuden kaͤuen, und die Welt und die Zeit ſchien in einem Strom von Moder ſich in den Abgrund hinab zu broͤckeln! . . . Ich denke an dieſe bebende Minute bei jedem mitternaͤchtlichen Ueberſpringen meines Monatszei¬ gers; aber ſie trete nie mehr unter die kurze Reihe meiner uͤbrigen Minuten. Der Sterbende — er wird kaum dieſen Namen lange mehr haben — ſchlug zwei lodernde Augen auf und ſah mich lange an, um mich zu kennen. Ihm hatte getraͤumt, er ſchwankte als ein Kind ſich auf einem Lilienbeete, das unter ihm aufgewallet — die¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/452>, abgerufen am 21.11.2024.