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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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zu Gute, daß sie nach den größten Eroberun¬
gen, die sie im Reiche der Wahrheiten oder in
einem geographischen gemacht, sich in die Kin¬
derstube setzten und da wahre Kindereien trie¬
ben, um den Bogen, womit sie so viele Lügen
und Menschen zu Boden gelegt, sanft zurück¬
zuspannen? Und warum soll dieses Gleichniß,
womit der H. Johannes sich vertheidigte, wenn
er sich eine Spielstunde mit seinem zahmen Reb¬
huhne erlaubte, nicht Kinder entschuldigen, daß
sie auch Kinder werden, wenn sie vorher den
noch dünnen Bogen zu krumm angezogen
haben? --

Aber nun weiter! Der alte Wehrfriz refe¬
rirte Rabetten ganz freundlich, "wie er heute
"die Pupille des Don Zesara die herrliche Grä¬
"fin de Romeiro gesehen, wahrhaftig 12 Jahre
"alt, aber von einer Conduite wie nur eine
"Hofdame habe; und der H. Ritter erlebe
"an seiner Mündel mehr Freude als sonst."
Diese harten klirrenden Worte ritzten wie an
einem Wasserscheuen, die offnen Nerven des
ehrgeizigen Knaben, da für ihn der Ritter bis¬
her das Lebensziel, der ewige Wunsch und der

zu Gute, daß ſie nach den größten Eroberun¬
gen, die ſie im Reiche der Wahrheiten oder in
einem geographiſchen gemacht, ſich in die Kin¬
derſtube ſetzten und da wahre Kindereien trie¬
ben, um den Bogen, womit ſie ſo viele Lügen
und Menſchen zu Boden gelegt, ſanft zurück¬
zuſpannen? Und warum ſoll dieſes Gleichniß,
womit der H. Johannes ſich vertheidigte, wenn
er ſich eine Spielſtunde mit ſeinem zahmen Reb¬
huhne erlaubte, nicht Kinder entſchuldigen, daß
ſie auch Kinder werden, wenn ſie vorher den
noch dünnen Bogen zu krumm angezogen
haben? —

Aber nun weiter! Der alte Wehrfriz refe¬
rirte Rabetten ganz freundlich, „wie er heute
„die Pupille des Don Zeſara die herrliche Grä¬
fin de Romeiro geſehen, wahrhaftig 12 Jahre
„alt, aber von einer Conduite wie nur eine
„Hofdame habe; und der H. Ritter erlebe
„an ſeiner Mündel mehr Freude als ſonſt.“
Dieſe harten klirrenden Worte ritzten wie an
einem Waſſerſcheuen, die offnen Nerven des
ehrgeizigen Knaben, da für ihn der Ritter bis¬
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[173/0193] zu Gute, daß ſie nach den größten Eroberun¬ gen, die ſie im Reiche der Wahrheiten oder in einem geographiſchen gemacht, ſich in die Kin¬ derſtube ſetzten und da wahre Kindereien trie¬ ben, um den Bogen, womit ſie ſo viele Lügen und Menſchen zu Boden gelegt, ſanft zurück¬ zuſpannen? Und warum ſoll dieſes Gleichniß, womit der H. Johannes ſich vertheidigte, wenn er ſich eine Spielſtunde mit ſeinem zahmen Reb¬ huhne erlaubte, nicht Kinder entſchuldigen, daß ſie auch Kinder werden, wenn ſie vorher den noch dünnen Bogen zu krumm angezogen haben? — Aber nun weiter! Der alte Wehrfriz refe¬ rirte Rabetten ganz freundlich, „wie er heute „die Pupille des Don Zeſara die herrliche Grä¬ „fin de Romeiro geſehen, wahrhaftig 12 Jahre „alt, aber von einer Conduite wie nur eine „Hofdame habe; und der H. Ritter erlebe „an ſeiner Mündel mehr Freude als ſonſt.“ Dieſe harten klirrenden Worte ritzten wie an einem Waſſerſcheuen, die offnen Nerven des ehrgeizigen Knaben, da für ihn der Ritter bis¬ her das Lebensziel, der ewige Wunſch und der

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/193>, abgerufen am 27.11.2024.