die Insel, diesen geschmückten Thron des Früh¬ lings, und auf ihr einen Menschen sehen sollte, der ihm zwanzig Jahre lang versprochen wor¬ den. Diese zweifache Gluth hob den maleri¬ schen Heros zur Gestalt eines zürnenden Mu¬ sengottes empor. In die welschen Augen zog seine Schönheit mit einem größern Triumphe ein als in die engen nördlichen, wovon er her¬ kam; in Mailand hatten viele gewünscht, er wäre von Marmor und stände mit ältern ver¬ steinerten Göttern entweder im farnesischen Pallast oder im klementinischen Museum oder in der Villa Albani; ja hatte nicht der Bischof von Novara mit seinem Degen an der Seite vor wenigen Stunden bei Schoppen, der zuletzt ritt, nachgefragt, wer es sei? Und hatte nicht dieser mit einer närrischen Quadratur seines Runzeln-Zirkels um weitläuftig Lippen versetzt, (um dem geistlichen Herrn Licht zu ge¬ ben): "mein Telemach ists und ich mache den "Mentor dabei -- ich bin die Rändelmaschine "und der Prägstok, der ihn münzt -- der Glätt¬ "zahn und die Plattmühle, die ihn bohnt -- "der Mann, der ihn regelt?" --
die Inſel, dieſen geſchmückten Thron des Früh¬ lings, und auf ihr einen Menſchen ſehen ſollte, der ihm zwanzig Jahre lang verſprochen wor¬ den. Dieſe zweifache Gluth hob den maleri¬ ſchen Heros zur Geſtalt eines zürnenden Mu¬ ſengottes empor. In die welſchen Augen zog ſeine Schönheit mit einem größern Triumphe ein als in die engen nördlichen, wovon er her¬ kam; in Mailand hatten viele gewünſcht, er wäre von Marmor und ſtände mit ältern ver¬ ſteinerten Göttern entweder im farneſiſchen Pallaſt oder im klementiniſchen Muſeum oder in der Villa Albani; ja hatte nicht der Biſchof von Novara mit ſeinem Degen an der Seite vor wenigen Stunden bei Schoppen, der zuletzt ritt, nachgefragt, wer es ſei? Und hatte nicht dieſer mit einer närriſchen Quadratur ſeines Runzeln-Zirkels um weitläuftig Lippen verſetzt, (um dem geiſtlichen Herrn Licht zu ge¬ ben): „mein Telemach iſts und ich mache den „Mentor dabei — ich bin die Rändelmaſchine „und der Prägſtok, der ihn münzt — der Glätt¬ „zahn und die Plattmühle, die ihn bohnt — „der Mann, der ihn regelt?“ —
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0022"n="2"/>
die Inſel, dieſen geſchmückten Thron des Früh¬<lb/>
lings, und auf ihr einen Menſchen ſehen ſollte,<lb/>
der ihm zwanzig Jahre lang verſprochen wor¬<lb/>
den. Dieſe zweifache Gluth hob den maleri¬<lb/>ſchen Heros zur Geſtalt eines zürnenden Mu¬<lb/>ſengottes empor. In die welſchen Augen zog<lb/>ſeine Schönheit mit einem größern Triumphe<lb/>
ein als in die engen nördlichen, wovon er her¬<lb/>
kam; in Mailand hatten viele gewünſcht, er<lb/>
wäre von Marmor und ſtände mit ältern ver¬<lb/>ſteinerten Göttern entweder im farneſiſchen<lb/>
Pallaſt oder im klementiniſchen Muſeum oder<lb/>
in der Villa Albani; ja hatte nicht der Biſchof<lb/>
von <hirendition="#aq">Novara</hi> mit ſeinem Degen an der Seite<lb/>
vor wenigen Stunden bei Schoppen, der zuletzt<lb/>
ritt, nachgefragt, wer es ſei? Und hatte nicht<lb/>
dieſer mit einer närriſchen Quadratur ſeines<lb/>
Runzeln-Zirkels um weitläuftig Lippen<lb/>
verſetzt, (um dem geiſtlichen Herrn Licht zu ge¬<lb/>
ben): „mein Telemach iſts und ich mache den<lb/>„Mentor dabei — ich bin die Rändelmaſchine<lb/>„und der Prägſtok, der ihn münzt — der Glätt¬<lb/>„zahn und die Plattmühle, die ihn bohnt —<lb/>„der Mann, der ihn regelt?“—</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[2/0022]
die Inſel, dieſen geſchmückten Thron des Früh¬
lings, und auf ihr einen Menſchen ſehen ſollte,
der ihm zwanzig Jahre lang verſprochen wor¬
den. Dieſe zweifache Gluth hob den maleri¬
ſchen Heros zur Geſtalt eines zürnenden Mu¬
ſengottes empor. In die welſchen Augen zog
ſeine Schönheit mit einem größern Triumphe
ein als in die engen nördlichen, wovon er her¬
kam; in Mailand hatten viele gewünſcht, er
wäre von Marmor und ſtände mit ältern ver¬
ſteinerten Göttern entweder im farneſiſchen
Pallaſt oder im klementiniſchen Muſeum oder
in der Villa Albani; ja hatte nicht der Biſchof
von Novara mit ſeinem Degen an der Seite
vor wenigen Stunden bei Schoppen, der zuletzt
ritt, nachgefragt, wer es ſei? Und hatte nicht
dieſer mit einer närriſchen Quadratur ſeines
Runzeln-Zirkels um weitläuftig Lippen
verſetzt, (um dem geiſtlichen Herrn Licht zu ge¬
ben): „mein Telemach iſts und ich mache den
„Mentor dabei — ich bin die Rändelmaſchine
„und der Prägſtok, der ihn münzt — der Glätt¬
„zahn und die Plattmühle, die ihn bohnt —
„der Mann, der ihn regelt?“ —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/22>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.