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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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Pflegevater einen einsamern und heißern Ab¬
schied. --

Und nun wurde vor solchen reinen und
scharfen Augen der Ifis-Schleier der Natur
durchsichtig und eine lebendige Göttin blickte
mit seelenvollen Zügen darunter in sein Herz.
Ach als wenn er seine Mutter fände, so fand
er jetzt die Natur -- jetzt erst wußt' er, was
der Frühling sey und der Mond und das Mor¬
genroth und die Sternennacht. . . . . Ach wir
haben es alle einmal gewußt, wir wurden alle
einmal von der Morgenröthe des Lebens ge¬
färbt! . . . . O warum achten wir nicht alle
ersten Regungen der menschlichen Natur für
heilig, als Erstlinge für den göttlichen Altar?
Es giebt ja nichts Reineres und Wärmeres als
unsere erste Freundschaft, unsere erste Liebe, un¬
ser erstes Streben nach Wahrheiten, unser er¬
stes Gefühl für die Natur; wie Adam, werden
wir erst aus Unsterblichen Sterbliche; wie
Ägypter werden wir früher von Göttern als
Menschen regiert; -- und das Ideal eilet der
Wirklichkeit wie bei einigen Bäumen, die wei¬
chen Blüthen den breiten rohen Blättern

Pflegevater einen einſamern und heißern Ab¬
ſchied. —

Und nun wurde vor ſolchen reinen und
ſcharfen Augen der Ifis-Schleier der Natur
durchſichtig und eine lebendige Göttin blickte
mit ſeelenvollen Zügen darunter in ſein Herz.
Ach als wenn er ſeine Mutter fände, ſo fand
er jetzt die Natur — jetzt erſt wußt' er, was
der Frühling ſey und der Mond und das Mor¬
genroth und die Sternennacht. . . . . Ach wir
haben es alle einmal gewußt, wir wurden alle
einmal von der Morgenröthe des Lebens ge¬
färbt! . . . . O warum achten wir nicht alle
erſten Regungen der menſchlichen Natur für
heilig, als Erſtlinge für den göttlichen Altar?
Es giebt ja nichts Reineres und Wärmeres als
unſere erſte Freundſchaft, unſere erſte Liebe, un¬
ſer erſtes Streben nach Wahrheiten, unſer er¬
ſtes Gefühl für die Natur; wie Adam, werden
wir erſt aus Unſterblichen Sterbliche; wie
Ägypter werden wir früher von Göttern als
Menſchen regiert; — und das Ideal eilet der
Wirklichkeit wie bei einigen Bäumen, die wei¬
chen Blüthen den breiten rohen Blättern

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[205/0225] Pflegevater einen einſamern und heißern Ab¬ ſchied. — Und nun wurde vor ſolchen reinen und ſcharfen Augen der Ifis-Schleier der Natur durchſichtig und eine lebendige Göttin blickte mit ſeelenvollen Zügen darunter in ſein Herz. Ach als wenn er ſeine Mutter fände, ſo fand er jetzt die Natur — jetzt erſt wußt' er, was der Frühling ſey und der Mond und das Mor¬ genroth und die Sternennacht. . . . . Ach wir haben es alle einmal gewußt, wir wurden alle einmal von der Morgenröthe des Lebens ge¬ färbt! . . . . O warum achten wir nicht alle erſten Regungen der menſchlichen Natur für heilig, als Erſtlinge für den göttlichen Altar? Es giebt ja nichts Reineres und Wärmeres als unſere erſte Freundſchaft, unſere erſte Liebe, un¬ ſer erſtes Streben nach Wahrheiten, unſer er¬ ſtes Gefühl für die Natur; wie Adam, werden wir erſt aus Unſterblichen Sterbliche; wie Ägypter werden wir früher von Göttern als Menſchen regiert; — und das Ideal eilet der Wirklichkeit wie bei einigen Bäumen, die wei¬ chen Blüthen den breiten rohen Blättern

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/225>, abgerufen am 28.11.2024.