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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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nen Wipfel besteigen, gleichsam die Stern¬
warte des unten ausgebreiteten Himmels oder
Lilars; er fand endlich am Walde einen offnen
Laubengang.

Die Lauben drehten ihn in Schraubengän¬
gen in eine immer tiefere Nacht hinein, durch
welche nicht der Mond sondern nur die stum¬
men Blitze brechen konnten, von denen der
warme Himmel ohne Wolken überschwoll. Der
Berg hob die Zauberkreise immer kleiner aus
den Blättern in die Blüthen hinauf -- zwei
nackte Kinder hatten unter Myrthen die Arme
liebkosend einander um die zugeneigten Köpfe
gelegt, es waren die Statuen von Amor und
Psyche -- Rosennachtfalter leckten mit kurzen
Zungen den Honigthau von den Blättern ab
und die Johanniswürmchen, gleichsam abge¬
sprungene Funken der Abendgluth, wehten wie
Goldfaden um die Rosenbüsche -- er stieg zwi¬
schen Gipfeln und Wurzeln hinter dem aroma¬
tischen Treppengeländer gen Himmel, aber die
kleine mit ihm herumlaufende Spiralallee ver¬
hieng die Sterne mit purpurnen Nachtviolen
und die tiefen Gärten mit Orangegipfeln --

nen Wipfel beſteigen, gleichſam die Stern¬
warte des unten ausgebreiteten Himmels oder
Lilars; er fand endlich am Walde einen offnen
Laubengang.

Die Lauben drehten ihn in Schraubengän¬
gen in eine immer tiefere Nacht hinein, durch
welche nicht der Mond ſondern nur die ſtum¬
men Blitze brechen konnten, von denen der
warme Himmel ohne Wolken überſchwoll. Der
Berg hob die Zauberkreiſe immer kleiner aus
den Blättern in die Blüthen hinauf — zwei
nackte Kinder hatten unter Myrthen die Arme
liebkoſend einander um die zugeneigten Köpfe
gelegt, es waren die Statuen von Amor und
Pſyche — Roſennachtfalter leckten mit kurzen
Zungen den Honigthau von den Blättern ab
und die Johanniswürmchen, gleichſam abge¬
ſprungene Funken der Abendgluth, wehten wie
Goldfaden um die Roſenbüſche — er ſtieg zwi¬
ſchen Gipfeln und Wurzeln hinter dem aroma¬
tiſchen Treppengeländer gen Himmel, aber die
kleine mit ihm herumlaufende Spiralallee ver¬
hieng die Sterne mit purpurnen Nachtviolen
und die tiefen Gärten mit Orangegipfeln —

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[235/0255] nen Wipfel beſteigen, gleichſam die Stern¬ warte des unten ausgebreiteten Himmels oder Lilars; er fand endlich am Walde einen offnen Laubengang. Die Lauben drehten ihn in Schraubengän¬ gen in eine immer tiefere Nacht hinein, durch welche nicht der Mond ſondern nur die ſtum¬ men Blitze brechen konnten, von denen der warme Himmel ohne Wolken überſchwoll. Der Berg hob die Zauberkreiſe immer kleiner aus den Blättern in die Blüthen hinauf — zwei nackte Kinder hatten unter Myrthen die Arme liebkoſend einander um die zugeneigten Köpfe gelegt, es waren die Statuen von Amor und Pſyche — Roſennachtfalter leckten mit kurzen Zungen den Honigthau von den Blättern ab und die Johanniswürmchen, gleichſam abge¬ ſprungene Funken der Abendgluth, wehten wie Goldfaden um die Roſenbüſche — er ſtieg zwi¬ ſchen Gipfeln und Wurzeln hinter dem aroma¬ tiſchen Treppengeländer gen Himmel, aber die kleine mit ihm herumlaufende Spiralallee ver¬ hieng die Sterne mit purpurnen Nachtviolen und die tiefen Gärten mit Orangegipfeln —

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/255>, abgerufen am 21.11.2024.