einen vergoldeten Abendstern*) im blauen Westen aufhängt, gleichsam über der Wohnung der geliebten Seele. Dir und deinen jungen Au¬ gen werfen die Sterne nur Hofnungen, noch keine Erinnerungen herunter, du hast einen ab¬ gebrochenen starren Apfelzweig voll rother Blüthenknospen in der Hand, die wie Unglück¬ liche zu blassen werden, wenn sie aufblühen, aber du machst noch nicht solche Anwendungen davon wie wir.
Jetzt stand er in einer Thalrinne vor Lilar glühend und bange, das aber ein sonderbarer runder Wald aus Laubengängen noch versteckte. Der Wald wuchs in der Mitte zu einem blü¬ henden Berge auf, den breite Sonnenblumen, Fruchtschnüre von Kirschen und blinkende Sil¬ berpappeln und Rosenbäume in so künstlicher Verschränkung einhüllten und umliefen, daß er vor den malerischen Irrlichtern des Mondes ein einziger ungeheurer Kesselbaum voll Früchte und Blüthen zu seyn schien. Albano wollte sei¬
*) In Italien sehen die Sterne nicht silbern, son¬ dern golden aus.
einen vergoldeten Abendſtern*) im blauen Weſten aufhängt, gleichſam über der Wohnung der geliebten Seele. Dir und deinen jungen Au¬ gen werfen die Sterne nur Hofnungen, noch keine Erinnerungen herunter, du haſt einen ab¬ gebrochenen ſtarren Apfelzweig voll rother Blüthenknoſpen in der Hand, die wie Unglück¬ liche zu blaſſen werden, wenn ſie aufblühen, aber du machſt noch nicht ſolche Anwendungen davon wie wir.
Jetzt ſtand er in einer Thalrinne vor Lilar glühend und bange, das aber ein ſonderbarer runder Wald aus Laubengängen noch verſteckte. Der Wald wuchs in der Mitte zu einem blü¬ henden Berge auf, den breite Sonnenblumen, Fruchtſchnüre von Kirſchen und blinkende Sil¬ berpappeln und Roſenbäume in ſo künſtlicher Verſchränkung einhüllten und umliefen, daß er vor den maleriſchen Irrlichtern des Mondes ein einziger ungeheurer Keſſelbaum voll Früchte und Blüthen zu ſeyn ſchien. Albano wollte ſei¬
*) In Italien ſehen die Sterne nicht ſilbern, ſon¬ dern golden aus.
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einen vergoldeten Abendſtern *) im blauen
Weſten aufhängt, gleichſam über der Wohnung
der geliebten Seele. Dir und deinen jungen Au¬
gen werfen die Sterne nur Hofnungen, noch
keine Erinnerungen herunter, du haſt einen ab¬
gebrochenen ſtarren Apfelzweig voll rother
Blüthenknoſpen in der Hand, die wie Unglück¬
liche zu blaſſen werden, wenn ſie aufblühen,
aber du machſt noch nicht ſolche Anwendungen
davon wie wir.
Jetzt ſtand er in einer Thalrinne vor Lilar
glühend und bange, das aber ein ſonderbarer
runder Wald aus Laubengängen noch verſteckte.
Der Wald wuchs in der Mitte zu einem blü¬
henden Berge auf, den breite Sonnenblumen,
Fruchtſchnüre von Kirſchen und blinkende Sil¬
berpappeln und Roſenbäume in ſo künſtlicher
Verſchränkung einhüllten und umliefen, daß
er vor den maleriſchen Irrlichtern des Mondes
ein einziger ungeheurer Keſſelbaum voll Früchte
und Blüthen zu ſeyn ſchien. Albano wollte ſei¬
*) In Italien ſehen die Sterne nicht ſilbern, ſon¬
dern golden aus.
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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/254>, abgerufen am 14.06.2024.
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