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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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Dorfjünglings der bejahrten, aber rothwangi¬
gen und hochstämmigen Fürstinn auf das von
der Zeit aufgebogene Kinn und ins freundliche
Gesicht, das sich in ein ganzes tiefes Hauben¬
gebüsch -- vielleicht zur Decke der vielen Le¬
benslinien -- vergrub. Sie wiegte diesen
Kopf lächelnd-vergleichend, im Wahne der
Verschwisterung, zwischen ihm und Rabetten
hin und her, weil Mütter immer an Müttern
zuerst nach den Kindern sehen. Er hätt' es noch
wissen sollen, daß er eine Freundinn Lianens
an der kleinen krausköpfigen Prinzessinn vor
sich hatte, die, wiewohl schon in seinem Alter,
noch mit einer freundlichen Lebhaftigkeit, die
nie vom Hofmarschallamte unterschrieben wer¬
den kann, an alle hinansah und sogar Rabet¬
ten bei der Hand nahm und ihr ein unbeschreib¬
lich-gutmüthiges und steifes Anlachen abzwang.
Furchtbar kam ihm der Minister vor, ein
Mann voll starker Parthien an Leib und Seele,
voll reißender würgender nur an Blumenketten
liegender Leidenschaften und von welchem, ob¬
wohl sein hartes Gesicht erst höflich mit freundli¬
chen 12 himmlischen Zeichen von Liebe überschrie¬

Dorfjünglings der bejahrten, aber rothwangi¬
gen und hochſtämmigen Fürſtinn auf das von
der Zeit aufgebogene Kinn und ins freundliche
Geſicht, das ſich in ein ganzes tiefes Hauben¬
gebüſch — vielleicht zur Decke der vielen Le¬
benslinien — vergrub. Sie wiegte dieſen
Kopf lächelnd-vergleichend, im Wahne der
Verſchwiſterung, zwiſchen ihm und Rabetten
hin und her, weil Mütter immer an Müttern
zuerſt nach den Kindern ſehen. Er hätt' es noch
wiſſen ſollen, daß er eine Freundinn Lianens
an der kleinen krausköpfigen Prinzeſſinn vor
ſich hatte, die, wiewohl ſchon in ſeinem Alter,
noch mit einer freundlichen Lebhaftigkeit, die
nie vom Hofmarſchallamte unterſchrieben wer¬
den kann, an alle hinanſah und ſogar Rabet¬
ten bei der Hand nahm und ihr ein unbeſchreib¬
lich-gutmüthiges und ſteifes Anlachen abzwang.
Furchtbar kam ihm der Miniſter vor, ein
Mann voll ſtarker Parthien an Leib und Seele,
voll reißender würgender nur an Blumenketten
liegender Leidenſchaften und von welchem, ob¬
wohl ſein hartes Geſicht erſt höflich mit freundli¬
chen 12 himmliſchen Zeichen von Liebe überſchrie¬

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[245/0265] Dorfjünglings der bejahrten, aber rothwangi¬ gen und hochſtämmigen Fürſtinn auf das von der Zeit aufgebogene Kinn und ins freundliche Geſicht, das ſich in ein ganzes tiefes Hauben¬ gebüſch — vielleicht zur Decke der vielen Le¬ benslinien — vergrub. Sie wiegte dieſen Kopf lächelnd-vergleichend, im Wahne der Verſchwiſterung, zwiſchen ihm und Rabetten hin und her, weil Mütter immer an Müttern zuerſt nach den Kindern ſehen. Er hätt' es noch wiſſen ſollen, daß er eine Freundinn Lianens an der kleinen krausköpfigen Prinzeſſinn vor ſich hatte, die, wiewohl ſchon in ſeinem Alter, noch mit einer freundlichen Lebhaftigkeit, die nie vom Hofmarſchallamte unterſchrieben wer¬ den kann, an alle hinanſah und ſogar Rabet¬ ten bei der Hand nahm und ihr ein unbeſchreib¬ lich-gutmüthiges und ſteifes Anlachen abzwang. Furchtbar kam ihm der Miniſter vor, ein Mann voll ſtarker Parthien an Leib und Seele, voll reißender würgender nur an Blumenketten liegender Leidenſchaften und von welchem, ob¬ wohl ſein hartes Geſicht erſt höflich mit freundli¬ chen 12 himmliſchen Zeichen von Liebe überſchrie¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/265>, abgerufen am 21.11.2024.