Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Als die Landschaft zu Albano kam und
er jene Frühlingsnacht verkleinert vor sich hielt
wo ihm Lilar und der edle Greis so zaubernd
erschienen -- und da er berührte, was die liebe
Seele angerührt -- und da in der seinigen
alle Wohllaute zitterten: so griff wieder der
Teufel einen dissonirenden Septimenakkord:

"Der Fürst, gnädiger Herr (sagte der Mi¬
"nister zum deutschen Herrn) wurde gestern
"heimlich beigesetzt; schon in acht Tagen ha¬
"ben wir das öffentliche Begräbniß. Wir
"müssen eilen, weil die Suspension der Hof¬
"trauer so lange dauert bis die Huldigung
"am Himmelfahrtstage vorüber ist." Ich
bin zu feurig, mich über den ewigen Zeremo¬
nienmeister Froulay auszulassen, der auf der
Sonne Laternensteuer eingetrieben hätte und
Brückenzoll vor Parks- und Eselsbrücken; aber
Albano, von so vielen innern Seiten- und
Streiflichtern geblendet -- erinnert an Lianens
Trauer über den alten Mann, an seinen Ge¬
burtstag, an das Herz ohne Brust und an den
Wahnsinn der Welt -- war nicht im Stande,
so sehr er sich vorgesetzt, in Sanftmuth und

Als die Landſchaft zu Albano kam und
er jene Frühlingsnacht verkleinert vor ſich hielt
wo ihm Lilar und der edle Greis ſo zaubernd
erſchienen — und da er berührte, was die liebe
Seele angerührt — und da in der ſeinigen
alle Wohllaute zitterten: ſo griff wieder der
Teufel einen diſſonirenden Septimenakkord:

„Der Fürſt, gnädiger Herr (ſagte der Mi¬
„niſter zum deutſchen Herrn) wurde geſtern
„heimlich beigeſetzt; ſchon in acht Tagen ha¬
„ben wir das öffentliche Begräbniß. Wir
„müſſen eilen, weil die Suſpenſion der Hof¬
„trauer ſo lange dauert bis die Huldigung
„am Himmelfahrtstage vorüber iſt.“ Ich
bin zu feurig, mich über den ewigen Zeremo¬
nienmeiſter Froulay auszulaſſen, der auf der
Sonne Laternenſteuer eingetrieben hätte und
Brückenzoll vor Parks- und Eſelsbrücken; aber
Albano, von ſo vielen innern Seiten- und
Streiflichtern geblendet — erinnert an Lianens
Trauer über den alten Mann, an ſeinen Ge¬
burtstag, an das Herz ohne Bruſt und an den
Wahnſinn der Welt — war nicht im Stande,
ſo ſehr er ſich vorgeſetzt, in Sanftmuth und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0410" n="390"/>
          <p>Als die Land&#x017F;chaft zu Albano kam und<lb/>
er jene Frühlingsnacht verkleinert vor &#x017F;ich hielt<lb/>
wo ihm Lilar und der edle Greis &#x017F;o zaubernd<lb/>
er&#x017F;chienen &#x2014; und da er berührte, was die liebe<lb/>
Seele angerührt &#x2014; und da in der &#x017F;einigen<lb/>
alle Wohllaute zitterten: &#x017F;o griff wieder der<lb/>
Teufel einen di&#x017F;&#x017F;onirenden Septimenakkord:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Der Für&#x017F;t, gnädiger Herr (&#x017F;agte der Mi¬<lb/>
&#x201E;ni&#x017F;ter zum deut&#x017F;chen Herrn) wurde ge&#x017F;tern<lb/>
&#x201E;heimlich beige&#x017F;etzt; &#x017F;chon in acht Tagen ha¬<lb/>
&#x201E;ben wir das öffentliche Begräbniß. Wir<lb/>
&#x201E;&#x017F;&#x017F;en eilen, weil die Su&#x017F;pen&#x017F;ion der Hof¬<lb/>
&#x201E;trauer &#x017F;o lange dauert bis die Huldigung<lb/>
&#x201E;am <hi rendition="#g">Himmelfahrtstage</hi> vorüber i&#x017F;t.&#x201C; Ich<lb/>
bin zu feurig, mich über den ewigen Zeremo¬<lb/>
nienmei&#x017F;ter Froulay auszula&#x017F;&#x017F;en, der auf der<lb/>
Sonne Laternen&#x017F;teuer eingetrieben hätte und<lb/>
Brückenzoll vor Parks- und E&#x017F;elsbrücken; aber<lb/>
Albano, von &#x017F;o vielen innern Seiten- und<lb/>
Streiflichtern geblendet &#x2014; erinnert an Lianens<lb/>
Trauer über den alten Mann, an &#x017F;einen Ge¬<lb/>
burtstag, an das Herz ohne Bru&#x017F;t und an den<lb/>
Wahn&#x017F;inn der Welt &#x2014; war nicht im Stande,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr er &#x017F;ich vorge&#x017F;etzt, in Sanftmuth und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0410] Als die Landſchaft zu Albano kam und er jene Frühlingsnacht verkleinert vor ſich hielt wo ihm Lilar und der edle Greis ſo zaubernd erſchienen — und da er berührte, was die liebe Seele angerührt — und da in der ſeinigen alle Wohllaute zitterten: ſo griff wieder der Teufel einen diſſonirenden Septimenakkord: „Der Fürſt, gnädiger Herr (ſagte der Mi¬ „niſter zum deutſchen Herrn) wurde geſtern „heimlich beigeſetzt; ſchon in acht Tagen ha¬ „ben wir das öffentliche Begräbniß. Wir „müſſen eilen, weil die Suſpenſion der Hof¬ „trauer ſo lange dauert bis die Huldigung „am Himmelfahrtstage vorüber iſt.“ Ich bin zu feurig, mich über den ewigen Zeremo¬ nienmeiſter Froulay auszulaſſen, der auf der Sonne Laternenſteuer eingetrieben hätte und Brückenzoll vor Parks- und Eſelsbrücken; aber Albano, von ſo vielen innern Seiten- und Streiflichtern geblendet — erinnert an Lianens Trauer über den alten Mann, an ſeinen Ge¬ burtstag, an das Herz ohne Bruſt und an den Wahnſinn der Welt — war nicht im Stande, ſo ſehr er ſich vorgeſetzt, in Sanftmuth und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/410
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/410>, abgerufen am 22.11.2024.