Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Lammskleidern vor Froulay zu erscheinen, letz¬
tere anzubehalten: sondern er mußte (und lau¬
ter als er meinte ) gegen seinen Gegennachbar,
den Kirchenrath Schäpe, mit zu großer Jugend-
Ergrimmung -- (die durch das nach der Bru¬
derstimme sehnsüchtige Zuhören Lianens nicht
kleiner wurde) sich erklären gegen viel -- ge¬
gen das ewige todte Vexirleben der Menschen
-- gegen den zeremoniellen Hohn einer entseel¬
ten Gestalt -- gegen dieses Darben an Liebe
bloß aus Vorspiegeln derselben -- ach sein
ganzes Herz brannt' auf seiner Lippe. . . .

Der redliche Schäpe, den ich oben einen
Hallunken genannt, trat ihm mit mehreren
Minen bei. -- Aber ich gar nicht; Freund Al¬
bano! du mußt erst noch lernen, daß die
Menschen, in Rücksicht der Zeremonien, Mo¬
den und Gesetze, gleich einem Zug Schaafe,
insgesammt wofern man nur den Leithammel
über einen Stecken setzen lassen,[...] an
der Stelle des Stabes, den man nicht mehr
hinhält, noch aus Vorsicht aufspringen; --
und die meisten und höchsten Sprünge im
Staate thun wir ohne den Stecken. Aber ein

Lammskleidern vor Froulay zu erſcheinen, letz¬
tere anzubehalten: ſondern er mußte (und lau¬
ter als er meinte ) gegen ſeinen Gegennachbar,
den Kirchenrath Schäpe, mit zu großer Jugend-
Ergrimmung — (die durch das nach der Bru¬
derſtimme ſehnſüchtige Zuhören Lianens nicht
kleiner wurde) ſich erklären gegen viel — ge¬
gen das ewige todte Vexirleben der Menſchen
— gegen den zeremoniellen Hohn einer entſeel¬
ten Geſtalt — gegen dieſes Darben an Liebe
bloß aus Vorſpiegeln derſelben — ach ſein
ganzes Herz brannt' auf ſeiner Lippe. . . .

Der redliche Schäpe, den ich oben einen
Hallunken genannt, trat ihm mit mehreren
Minen bei. — Aber ich gar nicht; Freund Al¬
bano! du mußt erſt noch lernen, daß die
Menſchen, in Rückſicht der Zeremonien, Mo¬
den und Geſetze, gleich einem Zug Schaafe,
insgeſammt wofern man nur den Leithammel
über einen Stecken ſetzen laſſen,[…] an
der Stelle des Stabes, den man nicht mehr
hinhält, noch aus Vorſicht aufſpringen; —
und die meiſten und höchſten Sprünge im
Staate thun wir ohne den Stecken. Aber ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0411" n="391"/>
Lammskleidern vor Froulay zu er&#x017F;cheinen, letz¬<lb/>
tere anzubehalten: &#x017F;ondern er mußte (und lau¬<lb/>
ter als er meinte ) gegen &#x017F;einen Gegennachbar,<lb/>
den Kirchenrath Schäpe, mit zu großer Jugend-<lb/>
Ergrimmung &#x2014; (die durch das nach der Bru¬<lb/>
der&#x017F;timme &#x017F;ehn&#x017F;üchtige Zuhören Lianens nicht<lb/>
kleiner wurde) &#x017F;ich erklären gegen viel &#x2014; ge¬<lb/>
gen das ewige todte Vexirleben der Men&#x017F;chen<lb/>
&#x2014; gegen den zeremoniellen Hohn einer ent&#x017F;eel¬<lb/>
ten Ge&#x017F;talt &#x2014; gegen die&#x017F;es Darben an Liebe<lb/>
bloß aus Vor&#x017F;piegeln der&#x017F;elben &#x2014; ach &#x017F;ein<lb/>
ganzes Herz brannt' auf &#x017F;einer Lippe. . . .</p><lb/>
          <p>Der redliche Schäpe, den ich oben einen<lb/>
Hallunken genannt, trat ihm mit mehreren<lb/>
Minen bei. &#x2014; Aber ich gar nicht; Freund Al¬<lb/>
bano! du mußt er&#x017F;t noch lernen, daß die<lb/>
Men&#x017F;chen, in Rück&#x017F;icht der Zeremonien, Mo¬<lb/>
den und Ge&#x017F;etze, gleich einem Zug Schaafe,<lb/>
insge&#x017F;ammt wofern man nur den Leithammel<lb/>
über einen Stecken &#x017F;etzen la&#x017F;&#x017F;en,<choice><sic> vor&#x017F;ichtig</sic><corr type="corrigenda"/></choice> an<lb/>
der Stelle des Stabes, den man nicht mehr<lb/>
hinhält, noch aus Vor&#x017F;icht auf&#x017F;pringen; &#x2014;<lb/>
und die mei&#x017F;ten und höch&#x017F;ten Sprünge im<lb/>
Staate thun wir ohne den Stecken. Aber ein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[391/0411] Lammskleidern vor Froulay zu erſcheinen, letz¬ tere anzubehalten: ſondern er mußte (und lau¬ ter als er meinte ) gegen ſeinen Gegennachbar, den Kirchenrath Schäpe, mit zu großer Jugend- Ergrimmung — (die durch das nach der Bru¬ derſtimme ſehnſüchtige Zuhören Lianens nicht kleiner wurde) ſich erklären gegen viel — ge¬ gen das ewige todte Vexirleben der Menſchen — gegen den zeremoniellen Hohn einer entſeel¬ ten Geſtalt — gegen dieſes Darben an Liebe bloß aus Vorſpiegeln derſelben — ach ſein ganzes Herz brannt' auf ſeiner Lippe. . . . Der redliche Schäpe, den ich oben einen Hallunken genannt, trat ihm mit mehreren Minen bei. — Aber ich gar nicht; Freund Al¬ bano! du mußt erſt noch lernen, daß die Menſchen, in Rückſicht der Zeremonien, Mo¬ den und Geſetze, gleich einem Zug Schaafe, insgeſammt wofern man nur den Leithammel über einen Stecken ſetzen laſſen, an der Stelle des Stabes, den man nicht mehr hinhält, noch aus Vorſicht aufſpringen; — und die meiſten und höchſten Sprünge im Staate thun wir ohne den Stecken. Aber ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/411
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/411>, abgerufen am 22.11.2024.