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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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schein hat) das betheur' ich öffentlich, vor nichts
würd' ich mich so hüten als vor einer Residenz¬
stadt und vor einer stiftsfähigen Heldinn darin.
Denn die Konjunkzion der obern Planeten
trägt sich leichter zu als die hoher Amanten.
Will Er ein Wort mit Ihr allein reden am
Hofe oder beim Thee oder bei ihrer Familie,
so steht der Hof, die Theegesellschaft, die Fa¬
milie dabei; -- will Er Ihr im Park aufstos¬
sen, so reiset Sie, wie die sinesischen Kurire,
doppelt, weil man den Mädchen gern das
Gewissen, wie die Natur alle wichtige Glieder,
doppelt giebt wie gutem Weine doppelten Bo¬
den; -- will Er Ihr zufällig wenigstens auf
der Gasse begegnen, so schreitet (wenn diese
in Dresden liegt) ein saurer Bedienter hinter¬
drein als ihr Pestessig, Seelensorger, curator
sexus
, chevalier d'honneur, Sokrates-Genius,
Kontradiktor und Pestilenziarius -- -- Hinge¬
gen auf dem Lande läuft (das ist alles) die
Pfarrtochter, weil der Abend so himmlisch ist,
um die Pfarrfelder spatzieren und der Kandi¬
dat braucht nun weiter nichts zu thun als
Stiefel anzuziehen. -- Wahrlich unter Leuten

ſchein hat) das betheur' ich öffentlich, vor nichts
würd' ich mich ſo hüten als vor einer Reſidenz¬
ſtadt und vor einer ſtiftsfähigen Heldinn darin.
Denn die Konjunkzion der obern Planeten
trägt ſich leichter zu als die hoher Amanten.
Will Er ein Wort mit Ihr allein reden am
Hofe oder beim Thee oder bei ihrer Familie,
ſo ſteht der Hof, die Theegeſellſchaft, die Fa¬
milie dabei; — will Er Ihr im Park aufſtos¬
ſen, ſo reiſet Sie, wie die ſineſiſchen Kurire,
doppelt, weil man den Mädchen gern das
Gewiſſen, wie die Natur alle wichtige Glieder,
doppelt giebt wie gutem Weine doppelten Bo¬
den; — will Er Ihr zufällig wenigſtens auf
der Gaſſe begegnen, ſo ſchreitet (wenn dieſe
in Dresden liegt) ein ſaurer Bedienter hinter¬
drein als ihr Peſteſſig, Seelenſorger, curator
sexus
, chevalier d'honneur, Sokrates-Genius,
Kontradiktor und Peſtilenziarius — — Hinge¬
gen auf dem Lande läuft (das iſt alles) die
Pfarrtochter, weil der Abend ſo himmliſch iſt,
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dat braucht nun weiter nichts zu thun als
Stiefel anzuziehen. — Wahrlich unter Leuten

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[398/0418] ſchein hat) das betheur' ich öffentlich, vor nichts würd' ich mich ſo hüten als vor einer Reſidenz¬ ſtadt und vor einer ſtiftsfähigen Heldinn darin. Denn die Konjunkzion der obern Planeten trägt ſich leichter zu als die hoher Amanten. Will Er ein Wort mit Ihr allein reden am Hofe oder beim Thee oder bei ihrer Familie, ſo ſteht der Hof, die Theegeſellſchaft, die Fa¬ milie dabei; — will Er Ihr im Park aufſtos¬ ſen, ſo reiſet Sie, wie die ſineſiſchen Kurire, doppelt, weil man den Mädchen gern das Gewiſſen, wie die Natur alle wichtige Glieder, doppelt giebt wie gutem Weine doppelten Bo¬ den; — will Er Ihr zufällig wenigſtens auf der Gaſſe begegnen, ſo ſchreitet (wenn dieſe in Dresden liegt) ein ſaurer Bedienter hinter¬ drein als ihr Peſteſſig, Seelenſorger, curator sexus, chevalier d'honneur, Sokrates-Genius, Kontradiktor und Peſtilenziarius — — Hinge¬ gen auf dem Lande läuft (das iſt alles) die Pfarrtochter, weil der Abend ſo himmliſch iſt, um die Pfarrfelder ſpatzieren und der Kandi¬ dat braucht nun weiter nichts zu thun als Stiefel anzuziehen. — Wahrlich unter Leuten

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/418>, abgerufen am 22.11.2024.