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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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mit dem kleinen Echion an der säugenden
Brust, sich wehrend gegen die kränklich-leb¬
hafte Helena, die auf einem Stuhle stehend
immer aus dem Fenster eine vielblättrige Re¬
benschlinge hereinzog und die Hülle um die
Augen der Mutter gürten wollte. Mit zaube¬
rischer Verwirrung, da sie zugleich aufstehen,
mit der Linken die belaubten Fessel ohne Zerreis¬
sen abnehmen und den Säugling tiefer verhüllen
wollte, trat sie dem schönen Jünglinge gebückt
entgegen, kindlich-freundlich und feurig, aber
unendlich schüchtern, nicht seiner standesmäßi¬
gen Kleidung wegen, sondern weil er ein
Mann war und so edel aussah sogar ihrem
Griechen ähnlich. Er sagte ihr mit einer zau¬
berischen Liebe auf dem kräftigen Angesichte,
die sie vielleicht nie so herrlich gesehen, seinen
Namen und den Dank, den sein Herz ihrem
Gatten aufbewahre und Nachrichten und Grüße
von diesem. Wie loderte an der furchtsamen
Gestalt das unschuldige Feuer aus den schwar¬
zen Augen! "War denn mein Herr (so nannte
"sie ihren Mann) sehr gesund und froh?"

mit dem kleinen Echion an der ſäugenden
Bruſt, ſich wehrend gegen die kränklich-leb¬
hafte Helena, die auf einem Stuhle ſtehend
immer aus dem Fenſter eine vielblättrige Re¬
benſchlinge hereinzog und die Hülle um die
Augen der Mutter gürten wollte. Mit zaube¬
riſcher Verwirrung, da ſie zugleich aufſtehen,
mit der Linken die belaubten Feſſel ohne Zerreis¬
ſen abnehmen und den Säugling tiefer verhüllen
wollte, trat ſie dem ſchönen Jünglinge gebückt
entgegen, kindlich-freundlich und feurig, aber
unendlich ſchüchtern, nicht ſeiner ſtandesmäßi¬
gen Kleidung wegen, ſondern weil er ein
Mann war und ſo edel ausſah ſogar ihrem
Griechen ähnlich. Er ſagte ihr mit einer zau¬
beriſchen Liebe auf dem kräftigen Angeſichte,
die ſie vielleicht nie ſo herrlich geſehen, ſeinen
Namen und den Dank, den ſein Herz ihrem
Gatten aufbewahre und Nachrichten und Grüße
von dieſem. Wie loderte an der furchtſamen
Geſtalt das unſchuldige Feuer aus den ſchwar¬
zen Augen! „War denn mein Herr (ſo nannte
„ſie ihren Mann) ſehr geſund und froh?“

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[410/0430] mit dem kleinen Echion an der ſäugenden Bruſt, ſich wehrend gegen die kränklich-leb¬ hafte Helena, die auf einem Stuhle ſtehend immer aus dem Fenſter eine vielblättrige Re¬ benſchlinge hereinzog und die Hülle um die Augen der Mutter gürten wollte. Mit zaube¬ riſcher Verwirrung, da ſie zugleich aufſtehen, mit der Linken die belaubten Feſſel ohne Zerreis¬ ſen abnehmen und den Säugling tiefer verhüllen wollte, trat ſie dem ſchönen Jünglinge gebückt entgegen, kindlich-freundlich und feurig, aber unendlich ſchüchtern, nicht ſeiner ſtandesmäßi¬ gen Kleidung wegen, ſondern weil er ein Mann war und ſo edel ausſah ſogar ihrem Griechen ähnlich. Er ſagte ihr mit einer zau¬ beriſchen Liebe auf dem kräftigen Angeſichte, die ſie vielleicht nie ſo herrlich geſehen, ſeinen Namen und den Dank, den ſein Herz ihrem Gatten aufbewahre und Nachrichten und Grüße von dieſem. Wie loderte an der furchtſamen Geſtalt das unſchuldige Feuer aus den ſchwar¬ zen Augen! „War denn mein Herr (ſo nannte „ſie ihren Mann) ſehr geſund und froh?“

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/430>, abgerufen am 22.11.2024.