Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

jedes Gerüste der benachbarten Zukunft war
ein Trauergerüste und jedes Wort ein Leichen¬
sermon oder eine Grabschrift auf den blassen
Mann -- Sphex als Leibmedikus freuete sich auf
seinen Antheil am Leidtragen und Mitziehen
-- der Lektor hatte statt der versetzten Winter¬
kleider die Hoftrauer schon an- und approbirt
-- der Hofmarschall hatte keine Minute Rast
und der jüngste Tag, der die Gräber auf-
aber nicht zumacht, wär' ihm heute schief ge¬
kommen -- der Minister von Froulay, den
der kalte Luigi willig alles machen ließ, war
als Liebhaber alles altfürstlichen Pompes und
als Kreisausschreibender Direktor des gegen¬
wärtigen so gut im Himmel als der Höchstsee¬
lige -- die Weiber waren als Hochseelige aus
den Betten gestiegen, weil für diese fleißigen
Gewändermalerinnen eine lange Wesen¬
kette von Röcken und von deren Trägern, wohl
so schwer wiegt als für ihre Männer eine ge¬
kuppelte Sippschaft von Pferden.

Albano harrte ungeduldig am Fenster auf
Lianens Bruder und liebte den Unsichtbaren
immer heißer; wie zwei Flügel hoben und regten

Freund¬

jedes Gerüſte der benachbarten Zukunft war
ein Trauergerüſte und jedes Wort ein Leichen¬
ſermon oder eine Grabſchrift auf den blaſſen
Mann — Sphex als Leibmedikus freuete ſich auf
ſeinen Antheil am Leidtragen und Mitziehen
— der Lektor hatte ſtatt der verſetzten Winter¬
kleider die Hoftrauer ſchon an- und approbirt
— der Hofmarſchall hatte keine Minute Raſt
und der jüngſte Tag, der die Gräber auf-
aber nicht zumacht, wär' ihm heute ſchief ge¬
kommen — der Miniſter von Froulay, den
der kalte Luigi willig alles machen ließ, war
als Liebhaber alles altfürſtlichen Pompes und
als Kreisausſchreibender Direktor des gegen¬
wärtigen ſo gut im Himmel als der Höchſtſee¬
lige — die Weiber waren als Hochſeelige aus
den Betten geſtiegen, weil für dieſe fleißigen
Gewändermalerinnen eine lange Weſen¬
kette von Röcken und von deren Trägern, wohl
ſo ſchwer wiegt als für ihre Männer eine ge¬
kuppelte Sippſchaft von Pferden.

Albano harrte ungeduldig am Fenſter auf
Lianens Bruder und liebte den Unſichtbaren
immer heißer; wie zwei Flügel hoben und regten

Freund¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0468" n="448"/>
jedes Gerü&#x017F;te der benachbarten Zukunft war<lb/>
ein Trauergerü&#x017F;te und jedes Wort ein Leichen¬<lb/>
&#x017F;ermon oder eine Grab&#x017F;chrift auf den bla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Mann &#x2014; Sphex als Leibmedikus freuete &#x017F;ich auf<lb/>
&#x017F;einen Antheil am Leidtragen und Mitziehen<lb/>
&#x2014; der Lektor hatte &#x017F;tatt der ver&#x017F;etzten Winter¬<lb/>
kleider die Hoftrauer &#x017F;chon an- und approbirt<lb/>
&#x2014; der Hofmar&#x017F;chall hatte keine Minute Ra&#x017F;t<lb/>
und der jüng&#x017F;te Tag, der die Gräber auf-<lb/>
aber nicht zumacht, wär' ihm heute &#x017F;chief ge¬<lb/>
kommen &#x2014; der Mini&#x017F;ter von Froulay, den<lb/>
der kalte <hi rendition="#aq">Luigi</hi> willig alles machen ließ, war<lb/>
als Liebhaber alles altfür&#x017F;tlichen Pompes und<lb/>
als Kreisaus&#x017F;chreibender Direktor des gegen¬<lb/>
wärtigen &#x017F;o gut im Himmel als der Höch&#x017F;t&#x017F;ee¬<lb/>
lige &#x2014; die Weiber waren als Hoch&#x017F;eelige aus<lb/>
den Betten ge&#x017F;tiegen, weil für die&#x017F;e fleißigen<lb/><hi rendition="#g">Gewändermalerinnen</hi> eine lange We&#x017F;en¬<lb/>
kette von Röcken und von deren Trägern, wohl<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chwer wiegt als für ihre Männer eine ge¬<lb/>
kuppelte Sipp&#x017F;chaft von Pferden.</p><lb/>
          <p>Albano harrte ungeduldig am Fen&#x017F;ter auf<lb/>
Lianens Bruder und liebte den Un&#x017F;ichtbaren<lb/>
immer heißer; wie zwei Flügel hoben und regten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Freund¬<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[448/0468] jedes Gerüſte der benachbarten Zukunft war ein Trauergerüſte und jedes Wort ein Leichen¬ ſermon oder eine Grabſchrift auf den blaſſen Mann — Sphex als Leibmedikus freuete ſich auf ſeinen Antheil am Leidtragen und Mitziehen — der Lektor hatte ſtatt der verſetzten Winter¬ kleider die Hoftrauer ſchon an- und approbirt — der Hofmarſchall hatte keine Minute Raſt und der jüngſte Tag, der die Gräber auf- aber nicht zumacht, wär' ihm heute ſchief ge¬ kommen — der Miniſter von Froulay, den der kalte Luigi willig alles machen ließ, war als Liebhaber alles altfürſtlichen Pompes und als Kreisausſchreibender Direktor des gegen¬ wärtigen ſo gut im Himmel als der Höchſtſee¬ lige — die Weiber waren als Hochſeelige aus den Betten geſtiegen, weil für dieſe fleißigen Gewändermalerinnen eine lange Weſen¬ kette von Röcken und von deren Trägern, wohl ſo ſchwer wiegt als für ihre Männer eine ge¬ kuppelte Sippſchaft von Pferden. Albano harrte ungeduldig am Fenſter auf Lianens Bruder und liebte den Unſichtbaren immer heißer; wie zwei Flügel hoben und regten Freund¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/468
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/468>, abgerufen am 22.11.2024.