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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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Klumpen und blickte in die eigne Brust. Plötz¬
lich erstarrete sie an der Wand des Pallastes
in versteinerter Stellung. Albano drückte die
Hand auf die kleine Wunde und gieng nahe zu
dem Versteinerten -- Welche Gestalt! -- Aus
einem vertrockneten hagern Angesicht erhob sich
zwischen Augen, die halb unter den Augen¬
knochen fortbrannten, eine verachtende Nase
mit stolzem Wurf -- ein Cherub mit dem Keime
des Abfalls, ein verschmähender gebietender
Geist stand da, der nichts lieben konnte, nicht
sein eignes Herz, kaum ein höheres, einer von
jenen Fürchterlichen, die sich über die Menschen,
über das Unglück, über die Erde und über das
-- Gewissen erheben, und denen es gleich gilt,
welches Menschenblut sie hingießen, ob fremdes
oder ihres. --

Es war Don Gaspard.

Die Funken-werfende Ordenskette aus Stahl
und Edelsteinen verrieth ihn. Die Starrsucht,
seine alte Krankheit, hatt' ihn ergriffen. "O
"Vater!" sagte Albano erschrocken und umfaßte
die unbewegliche Gestalt, aber er drückte gleich¬
sam den kalten Tod ans Herz. Er schmeckte

Klumpen und blickte in die eigne Bruſt. Plötz¬
lich erſtarrete ſie an der Wand des Pallaſtes
in verſteinerter Stellung. Albano drückte die
Hand auf die kleine Wunde und gieng nahe zu
dem Verſteinerten — Welche Geſtalt! — Aus
einem vertrockneten hagern Angeſicht erhob ſich
zwiſchen Augen, die halb unter den Augen¬
knochen fortbrannten, eine verachtende Naſe
mit ſtolzem Wurf — ein Cherub mit dem Keime
des Abfalls, ein verſchmähender gebietender
Geiſt ſtand da, der nichts lieben konnte, nicht
ſein eignes Herz, kaum ein höheres, einer von
jenen Fürchterlichen, die ſich über die Menſchen,
über das Unglück, über die Erde und über das
— Gewiſſen erheben, und denen es gleich gilt,
welches Menſchenblut ſie hingießen, ob fremdes
oder ihres. —

Es war Don Gaſpard.

Die Funken-werfende Ordenskette aus Stahl
und Edelſteinen verrieth ihn. Die Starrſucht,
ſeine alte Krankheit, hatt' ihn ergriffen. „O
„Vater!“ ſagte Albano erſchrocken und umfaßte
die unbewegliche Geſtalt, aber er drückte gleich¬
ſam den kalten Tod ans Herz. Er ſchmeckte

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[52/0072] Klumpen und blickte in die eigne Bruſt. Plötz¬ lich erſtarrete ſie an der Wand des Pallaſtes in verſteinerter Stellung. Albano drückte die Hand auf die kleine Wunde und gieng nahe zu dem Verſteinerten — Welche Geſtalt! — Aus einem vertrockneten hagern Angeſicht erhob ſich zwiſchen Augen, die halb unter den Augen¬ knochen fortbrannten, eine verachtende Naſe mit ſtolzem Wurf — ein Cherub mit dem Keime des Abfalls, ein verſchmähender gebietender Geiſt ſtand da, der nichts lieben konnte, nicht ſein eignes Herz, kaum ein höheres, einer von jenen Fürchterlichen, die ſich über die Menſchen, über das Unglück, über die Erde und über das — Gewiſſen erheben, und denen es gleich gilt, welches Menſchenblut ſie hingießen, ob fremdes oder ihres. — Es war Don Gaſpard. Die Funken-werfende Ordenskette aus Stahl und Edelſteinen verrieth ihn. Die Starrſucht, ſeine alte Krankheit, hatt' ihn ergriffen. „O „Vater!“ ſagte Albano erſchrocken und umfaßte die unbewegliche Geſtalt, aber er drückte gleich¬ ſam den kalten Tod ans Herz. Er ſchmeckte

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/72>, abgerufen am 21.11.2024.