Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

die Bitterkeit einer Hölle -- er küßte die starre
Lippe und rief lauter -- endlich trat er vor ihm
mit fallenden Armen zurück und die aufgedeckte
Wunde blutete ungefühlt nieder -- und er blickte,
zähneknirschend vor wilder junger Liebe und vor
Schmerz, und mit großen Eistropfen in den
Augen, den Stummen an und riß ihm die Hand
vom Herzen. -- -- Hier schlug erwachend Gas¬
pard die Augen auf und sagte: "willkommen,
"mein lieber Sohn!" -- Da sank ihm mit unüber¬
schwenglicher Seeligkeit und Liebe das Kind
ans Vaterherz und weinte und schwieg. "Du
"blutest, Albano," sagte Gaspard ihn sanft zu¬
rückstemmend, "verbinde dich!" -- "Laß mich blu¬
"ten, ich will mit dir sterben wenn du stirbst
"-- o wie hab' ich so lange nach dir geschmach¬
"tet, mein guter Vater!" sagte Albano, noch
tiefer erschüttert von dem kranken väterlichen
Herzen, das er jetzt an seinem heftiger schlagen
fühlte.

"Recht gut, verbinde dich aber!" sagt' er;
und als der Sohn es that und während des
schnellsten Umwickelns mit unersättlicher Liebe
in das väterliche Auge schauete, und als das

die Bitterkeit einer Hölle — er küßte die ſtarre
Lippe und rief lauter — endlich trat er vor ihm
mit fallenden Armen zurück und die aufgedeckte
Wunde blutete ungefühlt nieder — und er blickte,
zähneknirſchend vor wilder junger Liebe und vor
Schmerz, und mit großen Eistropfen in den
Augen, den Stummen an und riß ihm die Hand
vom Herzen. — — Hier ſchlug erwachend Gaſ¬
pard die Augen auf und ſagte: „willkommen,
„mein lieber Sohn!“ — Da ſank ihm mit unüber¬
ſchwenglicher Seeligkeit und Liebe das Kind
ans Vaterherz und weinte und ſchwieg. „Du
„bluteſt, Albano,“ ſagte Gaſpard ihn ſanft zu¬
rückſtemmend, „verbinde dich!“ — „Laß mich blu¬
„ten, ich will mit dir ſterben wenn du ſtirbſt
„— o wie hab' ich ſo lange nach dir geſchmach¬
„tet, mein guter Vater!“ ſagte Albano, noch
tiefer erſchüttert von dem kranken väterlichen
Herzen, das er jetzt an ſeinem heftiger ſchlagen
fühlte.

„Recht gut, verbinde dich aber!“ ſagt' er;
und als der Sohn es that und während des
ſchnellſten Umwickelns mit unerſättlicher Liebe
in das väterliche Auge ſchauete, und als das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0073" n="53"/>
die Bitterkeit einer Hölle &#x2014; er küßte die &#x017F;tarre<lb/>
Lippe und rief lauter &#x2014; endlich trat er vor ihm<lb/>
mit fallenden Armen zurück und die aufgedeckte<lb/>
Wunde blutete ungefühlt nieder &#x2014; und er blickte,<lb/>
zähneknir&#x017F;chend vor wilder junger Liebe und vor<lb/>
Schmerz, und mit großen Eistropfen in den<lb/>
Augen, den Stummen an und riß ihm die Hand<lb/>
vom Herzen. &#x2014; &#x2014; Hier &#x017F;chlug erwachend Ga&#x017F;¬<lb/>
pard die Augen auf und &#x017F;agte: &#x201E;willkommen,<lb/>
&#x201E;mein lieber Sohn!&#x201C; &#x2014; Da &#x017F;ank ihm mit unüber¬<lb/>
&#x017F;chwenglicher Seeligkeit und Liebe das Kind<lb/>
ans Vaterherz und weinte und &#x017F;chwieg. &#x201E;Du<lb/>
&#x201E;blute&#x017F;t, Albano,&#x201C; &#x017F;agte Ga&#x017F;pard ihn &#x017F;anft zu¬<lb/>
rück&#x017F;temmend, &#x201E;verbinde dich!&#x201C; &#x2014; &#x201E;Laß mich blu¬<lb/>
&#x201E;ten, ich will mit dir &#x017F;terben wenn du &#x017F;tirb&#x017F;t<lb/>
&#x201E;&#x2014; o wie hab' ich &#x017F;o lange nach dir ge&#x017F;chmach¬<lb/>
&#x201E;tet, mein guter Vater!&#x201C; &#x017F;agte Albano, noch<lb/>
tiefer er&#x017F;chüttert von dem kranken väterlichen<lb/>
Herzen, das er jetzt an &#x017F;einem heftiger &#x017F;chlagen<lb/>
fühlte.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Recht gut, verbinde dich aber!&#x201C; &#x017F;agt' er;<lb/>
und als der Sohn es that und während des<lb/>
&#x017F;chnell&#x017F;ten Umwickelns mit uner&#x017F;ättlicher Liebe<lb/>
in das väterliche Auge &#x017F;chauete, und als das<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0073] die Bitterkeit einer Hölle — er küßte die ſtarre Lippe und rief lauter — endlich trat er vor ihm mit fallenden Armen zurück und die aufgedeckte Wunde blutete ungefühlt nieder — und er blickte, zähneknirſchend vor wilder junger Liebe und vor Schmerz, und mit großen Eistropfen in den Augen, den Stummen an und riß ihm die Hand vom Herzen. — — Hier ſchlug erwachend Gaſ¬ pard die Augen auf und ſagte: „willkommen, „mein lieber Sohn!“ — Da ſank ihm mit unüber¬ ſchwenglicher Seeligkeit und Liebe das Kind ans Vaterherz und weinte und ſchwieg. „Du „bluteſt, Albano,“ ſagte Gaſpard ihn ſanft zu¬ rückſtemmend, „verbinde dich!“ — „Laß mich blu¬ „ten, ich will mit dir ſterben wenn du ſtirbſt „— o wie hab' ich ſo lange nach dir geſchmach¬ „tet, mein guter Vater!“ ſagte Albano, noch tiefer erſchüttert von dem kranken väterlichen Herzen, das er jetzt an ſeinem heftiger ſchlagen fühlte. „Recht gut, verbinde dich aber!“ ſagt' er; und als der Sohn es that und während des ſchnellſten Umwickelns mit unerſättlicher Liebe in das väterliche Auge ſchauete, und als das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/73
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/73>, abgerufen am 21.11.2024.