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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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5. Zykel.

Der Ritter nahm ihn auf eine über stei¬
nerne Säulen geführte Gallerie hinauf, die
überall Limonienbäume mit Düften und kleinen
regen vom Monde silbern geränderten Schat¬
ten vollstreueten. Er zog zwei Medaillons aus
seiner Brieftasche, das eine bildete ein sonder¬
bar- jugendlich aussehendes weibliches Ge¬
sichtchen vor, mit der Umschrift: "Nous ne nous
verrons jamais, mon fils
."*) "Hier ist deine
"Mutter, (sagte Gaspard und gab es ihm,) --
"und hier deine Schwester," und reichte ihm
das zweite, dessen Züge zu einer unkenntlichen
veralteten Gestalt einliefen mit der Umschrift:
"Nous nous verrons un jour, mon frere."**)
Er fieng nun seine Rede an, die er in so vie¬
len zwanglosen Heften (das eine Komma oft
am einen Ende der Gallerie, das andere am
andern) und so leise und in einem solchen Wech¬
sel von schnellem und trägem Gehen lieferte,

*) Wir sehen uns nie mein Sohn.
**) Wir sehen uns einst, mein Bruder.
5. Zykel.

Der Ritter nahm ihn auf eine über ſtei¬
nerne Säulen geführte Gallerie hinauf, die
überall Limonienbäume mit Düften und kleinen
regen vom Monde ſilbern geränderten Schat¬
ten vollſtreueten. Er zog zwei Medaillons aus
ſeiner Brieftaſche, das eine bildete ein ſonder¬
bar- jugendlich ausſehendes weibliches Ge¬
ſichtchen vor, mit der Umſchrift: „Nous ne nous
verrons jamais, mon fils
.“*) „Hier iſt deine
„Mutter, (ſagte Gaſpard und gab es ihm,) —
„und hier deine Schweſter,“ und reichte ihm
das zweite, deſſen Züge zu einer unkenntlichen
veralteten Geſtalt einliefen mit der Umſchrift:
Nous nous verrons un jour, mon frère.“**)
Er fieng nun ſeine Rede an, die er in ſo vie¬
len zwangloſen Heften (das eine Komma oft
am einen Ende der Gallerie, das andere am
andern) und ſo leiſe und in einem ſolchen Wech¬
ſel von ſchnellem und trägem Gehen lieferte,

*) Wir ſehen uns nie mein Sohn.
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[56/0076] 5. Zykel. Der Ritter nahm ihn auf eine über ſtei¬ nerne Säulen geführte Gallerie hinauf, die überall Limonienbäume mit Düften und kleinen regen vom Monde ſilbern geränderten Schat¬ ten vollſtreueten. Er zog zwei Medaillons aus ſeiner Brieftaſche, das eine bildete ein ſonder¬ bar- jugendlich ausſehendes weibliches Ge¬ ſichtchen vor, mit der Umſchrift: „Nous ne nous verrons jamais, mon fils.“ *) „Hier iſt deine „Mutter, (ſagte Gaſpard und gab es ihm,) — „und hier deine Schweſter,“ und reichte ihm das zweite, deſſen Züge zu einer unkenntlichen veralteten Geſtalt einliefen mit der Umſchrift: „Nous nous verrons un jour, mon frère.“ **) Er fieng nun ſeine Rede an, die er in ſo vie¬ len zwangloſen Heften (das eine Komma oft am einen Ende der Gallerie, das andere am andern) und ſo leiſe und in einem ſolchen Wech¬ ſel von ſchnellem und trägem Gehen lieferte, *) Wir ſehen uns nie mein Sohn. **) Wir ſehen uns einſt, mein Bruder.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/76>, abgerufen am 21.11.2024.