Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

"Kunst wird daher bei uns nur auf Sachen
"gesetzt, gemalt, geprägt, welche dabei nützen
"und abwerfen: z. B. gute Madonnen nur
"ins Modejournal -- radirte Blätter nur auf
"Briefe voll Tabacksblätter -- Kammeen auf
"Tabacksköpfe -- Gemmen auf Pitschafte und
"Holzschnitte auf Kerbhölzer -- Blumenstücke
"werden gesucht, aber auf Schachteln -- treue
"Wouwermanne, aber zwischen Pferdeständen
"neben Bescheelern*) -- erhobenes Bildwerk
"von Prinzenköpfen, entweder auf Thalern oder
"auf Baierschen Bierkrug-Deckeln, beide nicht
"ohne reines Zinn -- Rosen- und Lilienstücke
"aber an tättauwierten Weibern. -- Auf ähn¬
liche Weise war in Basedows Erziehungsan¬
"stalt stets das schöne Gemälde und das latei¬
"nische Vokabulum verknüpft: weil das Phi¬
"lanthropin dieses leichter unter jenem behielt.
"-- So malte Van der Kabel nie einen Hasen
"auf Bestellung, ohne ein frisch geschossenes

*) Ein guter Wouwermann heißet in der Maler¬
sprache ein gut gemaltes Pferd, dessen Beschauen
auf die Schönheit des künftigen Füllen einfließet.

„Kunſt wird daher bei uns nur auf Sachen
„geſetzt, gemalt, geprägt, welche dabei nützen
„und abwerfen: z. B. gute Madonnen nur
„ins Modejournal — radirte Blätter nur auf
„Briefe voll Tabacksblätter — Kammeen auf
„Tabacksköpfe — Gemmen auf Pitſchafte und
„Holzſchnitte auf Kerbhölzer — Blumenſtücke
„werden geſucht, aber auf Schachteln — treue
„Wouwermanne, aber zwiſchen Pferdeſtänden
„neben Beſcheelern*) — erhobenes Bildwerk
„von Prinzenköpfen, entweder auf Thalern oder
„auf Baierſchen Bierkrug-Deckeln, beide nicht
„ohne reines Zinn — Roſen- und Lilienſtücke
„aber an tättauwierten Weibern. — Auf ähn¬
liche Weiſe war in Baſedows Erziehungsan¬
„ſtalt ſtets das ſchöne Gemälde und das latei¬
„niſche Vokabulum verknüpft: weil das Phi¬
„lanthropin dieſes leichter unter jenem behielt.
„— So malte Van der Kabel nie einen Haſen
„auf Beſtellung, ohne ein friſch geſchoſſenes

*) Ein guter Wouwermann heißet in der Maler¬
ſprache ein gut gemaltes Pferd, deſſen Beſchauen
auf die Schönheit des künftigen Füllen einfließet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0089" n="69"/>
&#x201E;Kun&#x017F;t wird daher bei uns nur auf Sachen<lb/>
&#x201E;ge&#x017F;etzt, gemalt, geprägt, welche dabei nützen<lb/>
&#x201E;und abwerfen: z. B. gute Madonnen nur<lb/>
&#x201E;ins Modejournal &#x2014; radirte Blätter nur auf<lb/>
&#x201E;Briefe voll Tabacksblätter &#x2014; Kammeen auf<lb/>
&#x201E;Tabacksköpfe &#x2014; Gemmen auf Pit&#x017F;chafte und<lb/>
&#x201E;Holz&#x017F;chnitte auf Kerbhölzer &#x2014; Blumen&#x017F;tücke<lb/>
&#x201E;werden ge&#x017F;ucht, aber auf Schachteln &#x2014; treue<lb/>
&#x201E;Wouwermanne, aber zwi&#x017F;chen Pferde&#x017F;tänden<lb/>
&#x201E;neben Be&#x017F;cheelern<note place="foot" n="*)">Ein guter Wouwermann heißet in der Maler¬<lb/>
&#x017F;prache ein gut gemaltes Pferd, de&#x017F;&#x017F;en Be&#x017F;chauen<lb/>
auf die Schönheit des künftigen Füllen einfließet.<lb/></note> &#x2014; erhobenes Bildwerk<lb/>
&#x201E;von Prinzenköpfen, entweder auf Thalern oder<lb/>
&#x201E;auf Baier&#x017F;chen Bierkrug-Deckeln, beide nicht<lb/>
&#x201E;ohne reines Zinn &#x2014; Ro&#x017F;en- und Lilien&#x017F;tücke<lb/>
&#x201E;aber an tättauwierten Weibern. &#x2014; Auf ähn¬<lb/>
liche Wei&#x017F;e war in Ba&#x017F;edows Erziehungsan¬<lb/>
&#x201E;&#x017F;talt &#x017F;tets das &#x017F;chöne Gemälde und das latei¬<lb/>
&#x201E;ni&#x017F;che Vokabulum verknüpft: weil das Phi¬<lb/>
&#x201E;lanthropin die&#x017F;es leichter unter jenem behielt.<lb/>
&#x201E;&#x2014; So malte Van der Kabel nie einen Ha&#x017F;en<lb/>
&#x201E;auf Be&#x017F;tellung, ohne ein fri&#x017F;ch ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;enes<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0089] „Kunſt wird daher bei uns nur auf Sachen „geſetzt, gemalt, geprägt, welche dabei nützen „und abwerfen: z. B. gute Madonnen nur „ins Modejournal — radirte Blätter nur auf „Briefe voll Tabacksblätter — Kammeen auf „Tabacksköpfe — Gemmen auf Pitſchafte und „Holzſchnitte auf Kerbhölzer — Blumenſtücke „werden geſucht, aber auf Schachteln — treue „Wouwermanne, aber zwiſchen Pferdeſtänden „neben Beſcheelern *) — erhobenes Bildwerk „von Prinzenköpfen, entweder auf Thalern oder „auf Baierſchen Bierkrug-Deckeln, beide nicht „ohne reines Zinn — Roſen- und Lilienſtücke „aber an tättauwierten Weibern. — Auf ähn¬ liche Weiſe war in Baſedows Erziehungsan¬ „ſtalt ſtets das ſchöne Gemälde und das latei¬ „niſche Vokabulum verknüpft: weil das Phi¬ „lanthropin dieſes leichter unter jenem behielt. „— So malte Van der Kabel nie einen Haſen „auf Beſtellung, ohne ein friſch geſchoſſenes *) Ein guter Wouwermann heißet in der Maler¬ ſprache ein gut gemaltes Pferd, deſſen Beſchauen auf die Schönheit des künftigen Füllen einfließet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/89
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/89>, abgerufen am 21.11.2024.