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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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beiden Proben, zu glühen und zu gefrieren,
ohne sich zu ändern.

Albano hatte die Mädchen durch das Fenster
in der Allee gesehen und eilte zum Abschiede
von der Schwester hinunter und zu etwas
Wichtigerem. Er kam mit vollern Rosen auf
den Wangen, als um ihn glühten, zu einer Gras¬
bank, wo Liane neben der Schwester hinter dem
rothen Sonnenschirm mit halbgesenkten Augen¬
liedern und seitwärts geneigtem Haupte ruhte
-- sanft in die Ernte des Abends versunken --
sonnenroth übergossen vom Schirme -- im wei¬
ßen Kleide -- mit einem dünnen schwarzen
Kreuzchen auf der zarten Brust -- und mit ei¬
ner vollen Rose; sie blickte unsern Geliebten
so unbefangen an, ihre Stimme war so schwe¬
sterlich und alles so reine sorglose Liebe! Sie
sagte ihm, wie sie sich freue auf seinen Jugend-
Ort und auf das Landleben und wie Rabette sie
überall hinführen werde -- und besonders auf
die Einweihungsrede, die am Sonntage ihr
Beicht-Vater Spener halte. Sie sprach sich
ins Feuer durch das Gemälde, wie die große
Brust des Greises der Klage- und der Siegs¬

beiden Proben, zu glühen und zu gefrieren,
ohne ſich zu ändern.

Albano hatte die Mädchen durch das Fenſter
in der Allee geſehen und eilte zum Abſchiede
von der Schweſter hinunter und zu etwas
Wichtigerem. Er kam mit vollern Roſen auf
den Wangen, als um ihn glühten, zu einer Gras¬
bank, wo Liane neben der Schweſter hinter dem
rothen Sonnenſchirm mit halbgeſenkten Augen¬
liedern und ſeitwärts geneigtem Haupte ruhte
— ſanft in die Ernte des Abends verſunken —
ſonnenroth übergoſſen vom Schirme — im wei¬
ßen Kleide — mit einem dünnen ſchwarzen
Kreuzchen auf der zarten Bruſt — und mit ei¬
ner vollen Roſe; ſie blickte unſern Geliebten
ſo unbefangen an, ihre Stimme war ſo ſchwe¬
ſterlich und alles ſo reine ſorgloſe Liebe! Sie
ſagte ihm, wie ſie ſich freue auf ſeinen Jugend-
Ort und auf das Landleben und wie Rabette ſie
überall hinführen werde — und beſonders auf
die Einweihungsrede, die am Sonntage ihr
Beicht-Vater Spener halte. Sie ſprach ſich
ins Feuer durch das Gemälde, wie die große
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[143/0151] beiden Proben, zu glühen und zu gefrieren, ohne ſich zu ändern. Albano hatte die Mädchen durch das Fenſter in der Allee geſehen und eilte zum Abſchiede von der Schweſter hinunter und zu etwas Wichtigerem. Er kam mit vollern Roſen auf den Wangen, als um ihn glühten, zu einer Gras¬ bank, wo Liane neben der Schweſter hinter dem rothen Sonnenſchirm mit halbgeſenkten Augen¬ liedern und ſeitwärts geneigtem Haupte ruhte — ſanft in die Ernte des Abends verſunken — ſonnenroth übergoſſen vom Schirme — im wei¬ ßen Kleide — mit einem dünnen ſchwarzen Kreuzchen auf der zarten Bruſt — und mit ei¬ ner vollen Roſe; ſie blickte unſern Geliebten ſo unbefangen an, ihre Stimme war ſo ſchwe¬ ſterlich und alles ſo reine ſorgloſe Liebe! Sie ſagte ihm, wie ſie ſich freue auf ſeinen Jugend- Ort und auf das Landleben und wie Rabette ſie überall hinführen werde — und beſonders auf die Einweihungsrede, die am Sonntage ihr Beicht-Vater Spener halte. Sie ſprach ſich ins Feuer durch das Gemälde, wie die große Bruſt des Greiſes der Klage- und der Siegs¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/151>, abgerufen am 22.11.2024.