Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber in Roquairol fuhr sogleich, als er
das himmlische Glück so nahe sah, der aufrüh¬
rerische Geist seiner Vergangenheit und schlug
epileptisch die Glieder des innern Menschen
blutig -- die unsterblichen Seufzer nach dem
ewig fliehenden Frieden quälten ihn wieder,
seine Fehltritte und Irrthümer und sogar die
Stunden, wo er unschuldig litt, wurden ihm
schmerzlich vorgerechnet -- und da sprach er
(und rührte jedes Herz, am meisten aber das
der armen Rabette, das er sich zu erwärmen
an sich preßte wie nach der Sage der Adler
die Taube, der dann sie nicht zerreißet.) Da sprach
er edel von der Wüstenei des Lebens und vom
Schicksal, das den Menschen wie den Vesuv
zum Krater ausbrenne und dann wieder kühle
Auen darein säe und ihn wieder mit Feuer
fülle -- und vom einzigen Glück des hohlen
Lebens, von der Liebe, und von der Ver¬
letzung, wenn das Geschick mit seinen Win¬
den eine Blume *) reibend hin und her be¬

*) z. B. die Winterlevkoje.

Aber in Roquairol fuhr ſogleich, als er
das himmliſche Glück ſo nahe ſah, der aufrüh¬
reriſche Geiſt ſeiner Vergangenheit und ſchlug
epileptiſch die Glieder des innern Menſchen
blutig — die unſterblichen Seufzer nach dem
ewig fliehenden Frieden quälten ihn wieder,
ſeine Fehltritte und Irrthümer und ſogar die
Stunden, wo er unſchuldig litt, wurden ihm
ſchmerzlich vorgerechnet — und da ſprach er
(und rührte jedes Herz, am meiſten aber das
der armen Rabette, das er ſich zu erwärmen
an ſich preßte wie nach der Sage der Adler
die Taube, der dann ſie nicht zerreißet.) Da ſprach
er edel von der Wüſtenei des Lebens und vom
Schickſal, das den Menſchen wie den Veſuv
zum Krater ausbrenne und dann wieder kühle
Auen darein ſäe und ihn wieder mit Feuer
fülle — und vom einzigen Glück des hohlen
Lebens, von der Liebe, und von der Ver¬
letzung, wenn das Geſchick mit ſeinen Win¬
den eine Blume *) reibend hin und her be¬

*) z. B. die Winterlevkoje.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0204" n="196"/>
          <p>Aber in Roquairol fuhr &#x017F;ogleich, als er<lb/>
das himmli&#x017F;che Glück &#x017F;o nahe &#x017F;ah, der aufrüh¬<lb/>
reri&#x017F;che Gei&#x017F;t &#x017F;einer Vergangenheit und &#x017F;chlug<lb/>
epilepti&#x017F;ch die Glieder des innern Men&#x017F;chen<lb/>
blutig &#x2014; die un&#x017F;terblichen Seufzer nach dem<lb/>
ewig fliehenden Frieden quälten ihn wieder,<lb/>
&#x017F;eine Fehltritte und Irrthümer und &#x017F;ogar die<lb/>
Stunden, wo er un&#x017F;chuldig litt, wurden ihm<lb/>
&#x017F;chmerzlich vorgerechnet &#x2014; und da &#x017F;prach er<lb/>
(und rührte jedes Herz, am mei&#x017F;ten aber das<lb/>
der armen Rabette, das er &#x017F;ich zu erwärmen<lb/>
an &#x017F;ich preßte wie nach der Sage der Adler<lb/>
die Taube, der dann &#x017F;ie nicht zerreißet.) Da &#x017F;prach<lb/>
er edel von der Wü&#x017F;tenei des Lebens und vom<lb/>
Schick&#x017F;al, das den Men&#x017F;chen wie den Ve&#x017F;uv<lb/>
zum Krater ausbrenne und dann wieder kühle<lb/>
Auen darein &#x017F;äe und ihn wieder mit Feuer<lb/>
fülle &#x2014; und vom einzigen Glück des hohlen<lb/>
Lebens, von der Liebe, und von der Ver¬<lb/>
letzung, wenn das Ge&#x017F;chick mit &#x017F;einen Win¬<lb/>
den eine Blume <note place="foot" n="*)"><lb/>
z. B. die Winterlevkoje.</note> reibend hin und her be¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0204] Aber in Roquairol fuhr ſogleich, als er das himmliſche Glück ſo nahe ſah, der aufrüh¬ reriſche Geiſt ſeiner Vergangenheit und ſchlug epileptiſch die Glieder des innern Menſchen blutig — die unſterblichen Seufzer nach dem ewig fliehenden Frieden quälten ihn wieder, ſeine Fehltritte und Irrthümer und ſogar die Stunden, wo er unſchuldig litt, wurden ihm ſchmerzlich vorgerechnet — und da ſprach er (und rührte jedes Herz, am meiſten aber das der armen Rabette, das er ſich zu erwärmen an ſich preßte wie nach der Sage der Adler die Taube, der dann ſie nicht zerreißet.) Da ſprach er edel von der Wüſtenei des Lebens und vom Schickſal, das den Menſchen wie den Veſuv zum Krater ausbrenne und dann wieder kühle Auen darein ſäe und ihn wieder mit Feuer fülle — und vom einzigen Glück des hohlen Lebens, von der Liebe, und von der Ver¬ letzung, wenn das Geſchick mit ſeinen Win¬ den eine Blume *) reibend hin und her be¬ *) z. B. die Winterlevkoje.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/204
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/204>, abgerufen am 27.11.2024.