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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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tete sich Albano in die brausende Wildniß so
lange, bis die Augen getrocknet waren für den
beleuchteten Abschied -- langsam ließ er die
Wiege unsers Herzens ausschwanken und schloß
so mild' und leise und verstummte ein wenig
und stand langsam auf. -- -- O in dieser
jungen stummen Brust lebte alles, womit die
herrlichste Liebe segnen kann!

Sie schieden ernst. -- Niemand sprach über
die Töne -- Liane schien verklärt -- Albano
wagt' es in dieser Geisterstunde des Herzens
nicht, mit einem Auge, das sich so kurz vorher
gestillet hatte, lang' auf ihren milden blauen
zu ruhen. -- Ihre gerührte Seele drückte sie
wie Mädchen pflegen, blos am Bruder durch
eine heissere Umarmung aus. -- Und dem hei¬
ligen Jüngling konnte sie scheidend den Ton und
den Blick nicht verhehlen, den er nie vergisset. --

Er erwachte oft in dieser Nacht und wußte
nicht, was sein Wesen so seelig wiege -- ach
der Ton war es, der durch den Schlummer
nachklang, und das liebe Auge, das ihn noch
in Träumen anblickte.


Zwölf¬

tete ſich Albano in die brauſende Wildniß ſo
lange, bis die Augen getrocknet waren für den
beleuchteten Abſchied — langſam ließ er die
Wiege unſers Herzens ausſchwanken und ſchloß
ſo mild' und leiſe und verſtummte ein wenig
und ſtand langſam auf. — — O in dieſer
jungen ſtummen Bruſt lebte alles, womit die
herrlichſte Liebe ſegnen kann!

Sie ſchieden ernſt. — Niemand ſprach über
die Töne — Liane ſchien verklärt — Albano
wagt' es in dieſer Geiſterſtunde des Herzens
nicht, mit einem Auge, das ſich ſo kurz vorher
geſtillet hatte, lang' auf ihren milden blauen
zu ruhen. — Ihre gerührte Seele drückte ſie
wie Mädchen pflegen, blos am Bruder durch
eine heiſſere Umarmung aus. — Und dem hei¬
ligen Jüngling konnte ſie ſcheidend den Ton und
den Blick nicht verhehlen, den er nie vergiſſet. —

Er erwachte oft in dieſer Nacht und wußte
nicht, was ſein Weſen ſo ſeelig wiege — ach
der Ton war es, der durch den Schlummer
nachklang, und das liebe Auge, das ihn noch
in Träumen anblickte.


Zwölf¬
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[64/0072] tete ſich Albano in die brauſende Wildniß ſo lange, bis die Augen getrocknet waren für den beleuchteten Abſchied — langſam ließ er die Wiege unſers Herzens ausſchwanken und ſchloß ſo mild' und leiſe und verſtummte ein wenig und ſtand langſam auf. — — O in dieſer jungen ſtummen Bruſt lebte alles, womit die herrlichſte Liebe ſegnen kann! Sie ſchieden ernſt. — Niemand ſprach über die Töne — Liane ſchien verklärt — Albano wagt' es in dieſer Geiſterſtunde des Herzens nicht, mit einem Auge, das ſich ſo kurz vorher geſtillet hatte, lang' auf ihren milden blauen zu ruhen. — Ihre gerührte Seele drückte ſie wie Mädchen pflegen, blos am Bruder durch eine heiſſere Umarmung aus. — Und dem hei¬ ligen Jüngling konnte ſie ſcheidend den Ton und den Blick nicht verhehlen, den er nie vergiſſet. — Er erwachte oft in dieſer Nacht und wußte nicht, was ſein Weſen ſo ſeelig wiege — ach der Ton war es, der durch den Schlummer nachklang, und das liebe Auge, das ihn noch in Träumen anblickte. Zwölf¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/72>, abgerufen am 21.11.2024.