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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Dazu war der Übertritt eines stolzen Liebha¬
bers von eignen Wünschen zu den feindlichen,
gesetzt man hätte Lianen die Frage an den
Grafen erlaubt, so unmöglich auf der Einen
Seite, und das Gesuch um diese Veränderlich¬
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den, überhaupt so heruntersetzend auf der an¬
dern, daß die betroffne Ministerin stolz auf¬
stand, wieder fragte: "ist das Dein letztes Wort
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wortete: "ich kann nicht anders, Gott sey mir
gnädig!" sich zornig wegwandte an den Mini¬
ster und sagte: "thun Sie nun was Sie für
convenable halten, ich bin unschuldig." --
"Nicht so ganz ma chere, aber gut! (sagt' er.)
"Du bleibst von Morgen an in Deinem Zim¬
mer bis Du Dich korrigirst und unsers An¬
blicks würdiger bist" kündigte er hinausgehend
Lianen mit zwei auf sie geworfenen Augen-
Salven an; worin meines Ermessens weit mehr
Reverberirfeuer -- Plagegeister -- ätzende,
fressende Medicamente -- Gehirn- und Her¬
zensbohrer versprochen wurden als sonst ein

Mensch

Dazu war der Übertritt eines ſtolzen Liebha¬
bers von eignen Wünſchen zu den feindlichen,
geſetzt man hätte Lianen die Frage an den
Grafen erlaubt, ſo unmöglich auf der Einen
Seite, und das Geſuch um dieſe Veränderlich¬
keit, es mochte bewilligt oder abgeſchlagen wer¬
den, überhaupt ſo herunterſetzend auf der an¬
dern, daß die betroffne Miniſterin ſtolz auf¬
ſtand, wieder fragte: „iſt das Dein letztes Wort
an uns, Liane?“ — und als Liane weinend ant¬
wortete: „ich kann nicht anders, Gott ſey mir
gnädig!„ ſich zornig wegwandte an den Mini¬
ſter und ſagte: „thun Sie nun was Sie für
convénable halten, ich bin unſchuldig.“ —
„Nicht ſo ganz ma chere, aber gut! (ſagt' er.)
„Du bleibſt von Morgen an in Deinem Zim¬
mer bis Du Dich korrigirſt und unſers An¬
blicks würdiger biſt“ kündigte er hinausgehend
Lianen mit zwei auf ſie geworfenen Augen-
Salven an; worin meines Ermeſſens weit mehr
Reverberirfeuer — Plagegeiſter — ätzende,
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[128/0140] Dazu war der Übertritt eines ſtolzen Liebha¬ bers von eignen Wünſchen zu den feindlichen, geſetzt man hätte Lianen die Frage an den Grafen erlaubt, ſo unmöglich auf der Einen Seite, und das Geſuch um dieſe Veränderlich¬ keit, es mochte bewilligt oder abgeſchlagen wer¬ den, überhaupt ſo herunterſetzend auf der an¬ dern, daß die betroffne Miniſterin ſtolz auf¬ ſtand, wieder fragte: „iſt das Dein letztes Wort an uns, Liane?“ — und als Liane weinend ant¬ wortete: „ich kann nicht anders, Gott ſey mir gnädig!„ ſich zornig wegwandte an den Mini¬ ſter und ſagte: „thun Sie nun was Sie für convénable halten, ich bin unſchuldig.“ — „Nicht ſo ganz ma chere, aber gut! (ſagt' er.) „Du bleibſt von Morgen an in Deinem Zim¬ mer bis Du Dich korrigirſt und unſers An¬ blicks würdiger biſt“ kündigte er hinausgehend Lianen mit zwei auf ſie geworfenen Augen- Salven an; worin meines Ermeſſens weit mehr Reverberirfeuer — Plagegeiſter — ätzende, freſſende Medicamente — Gehirn- und Her¬ zensbohrer verſprochen wurden als ſonſt ein Menſch

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/140>, abgerufen am 25.11.2024.