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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Die Fürstin kam auf den ihr durch die lan¬
ge Trauer über ihren verstorbnen Schwieger¬
vater auffallenden Spener wieder nachfragend
zurück; und Liane, des mütterliche Beifalls
gewiß, ergoß sich in einen Strom der Rede und
Rührung -- ihren Augen war einer verboten
--, der ein erhabenes Bild ihres Lehrers vor¬
übertrug. Wie erschütterte die Erhabenheit die¬
ser so weichen, zarten Seele ihren Freund! So
richten sich im blassen, kleinen Mond und Abend¬
sterne höhere Gebürge als auf der größern Er¬
de auf! -- "Sie war auch einmal für dich be¬
geistert, aber nun nicht mehr" sagte Albano zu
sich, und blieb hinter Allen zurück, weil seine
Seele schon längst voll Schmerzen war und weil
ihm jetzt die Fürstin zu mißfallen anfieng.

Er stellte sich allein und sah dem rauschen¬
den, leuchtenden Waffentanze der Freude zu. Die
Kinder liefen beglänzt durch den Lärm und im
hellgrünen Laub. Die Töne schwebten zu Ei¬
nem Kranze ineinandergeschlungen, hoch in
ihrem Äther über den lauten Menschen fest und
sangen ihnen ihre Himmelslieder herab. Nur
in mir, sagt' er sich, wälzen die Töne und die

Die Fürſtin kam auf den ihr durch die lan¬
ge Trauer über ihren verſtorbnen Schwieger¬
vater auffallenden Spener wieder nachfragend
zurück; und Liane, des mütterliche Beifalls
gewiß, ergoß ſich in einen Strom der Rede und
Rührung — ihren Augen war einer verboten
—, der ein erhabenes Bild ihres Lehrers vor¬
übertrug. Wie erſchütterte die Erhabenheit die¬
ſer ſo weichen, zarten Seele ihren Freund! So
richten ſich im blaſſen, kleinen Mond und Abend¬
ſterne höhere Gebürge als auf der größern Er¬
de auf! — „Sie war auch einmal für dich be¬
geiſtert, aber nun nicht mehr“ ſagte Albano zu
ſich, und blieb hinter Allen zurück, weil ſeine
Seele ſchon längſt voll Schmerzen war und weil
ihm jetzt die Fürſtin zu mißfallen anfieng.

Er ſtellte ſich allein und ſah dem rauſchen¬
den, leuchtenden Waffentanze der Freude zu. Die
Kinder liefen beglänzt durch den Lärm und im
hellgrünen Laub. Die Töne ſchwebten zu Ei¬
nem Kranze ineinandergeſchlungen, hoch in
ihrem Äther über den lauten Menſchen feſt und
ſangen ihnen ihre Himmelslieder herab. Nur
in mir, ſagt' er ſich, wälzen die Töne und die

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[175/0187] Die Fürſtin kam auf den ihr durch die lan¬ ge Trauer über ihren verſtorbnen Schwieger¬ vater auffallenden Spener wieder nachfragend zurück; und Liane, des mütterliche Beifalls gewiß, ergoß ſich in einen Strom der Rede und Rührung — ihren Augen war einer verboten —, der ein erhabenes Bild ihres Lehrers vor¬ übertrug. Wie erſchütterte die Erhabenheit die¬ ſer ſo weichen, zarten Seele ihren Freund! So richten ſich im blaſſen, kleinen Mond und Abend¬ ſterne höhere Gebürge als auf der größern Er¬ de auf! — „Sie war auch einmal für dich be¬ geiſtert, aber nun nicht mehr“ ſagte Albano zu ſich, und blieb hinter Allen zurück, weil ſeine Seele ſchon längſt voll Schmerzen war und weil ihm jetzt die Fürſtin zu mißfallen anfieng. Er ſtellte ſich allein und ſah dem rauſchen¬ den, leuchtenden Waffentanze der Freude zu. Die Kinder liefen beglänzt durch den Lärm und im hellgrünen Laub. Die Töne ſchwebten zu Ei¬ nem Kranze ineinandergeſchlungen, hoch in ihrem Äther über den lauten Menſchen feſt und ſangen ihnen ihre Himmelslieder herab. Nur in mir, ſagt' er ſich, wälzen die Töne und die

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/187>, abgerufen am 24.11.2024.