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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Liebhaber ehelicher Lusttreffen wollte angesehen
seyn, hatte sich schon fortgemacht. Der dreissig¬
jährige Krieg der Gatten -- nur wenige Jahre
fehlten daran -- gewann Leben und Zufuhr.
Der alte Ehemann verbreitete über sein Gesicht
jenes zuckende Lächeln, das bei einigen Men¬
schen der Zuckung des Korkholzes ähnlicht, wel¬
che das Anbeissen des Fisches ansagt. Er frag¬
te, ob er nun wohl Unrecht gehabt, weder der
Tochter noch der Mutter -- die er beide eines
partheigängerischen Einverständnisses gegen ihn
beschuldigte -- zu trauen; und versicherte nun,
nach solchen Proben wären ihm weder strenge¬
re Maaßregeln zu verargen noch ein gerades
Losgehen auf sein Ziel und mit dem Sitzen,
um das ihn der deutsche Herr schon zweimal
gebeten, höb' er an. Die Ministerin schwieg
zu Lianens Strafe über ein so übergroßes Ge¬
schenk an Bouverot wie ein Miniaturbild ist.

Die zarte Tochter, gedrängt und zerquetscht
zwischen steinernen, zuschreitenden Statuen, stell¬
le der Mutter vor, sie sey unmöglich im Stan¬
de, ein so langes männliches Anblicken auszu¬
halten, und am wenigsten von H. v. Bouve¬

Liebhaber ehelicher Luſttreffen wollte angeſehen
ſeyn, hatte ſich ſchon fortgemacht. Der dreiſſig¬
jährige Krieg der Gatten — nur wenige Jahre
fehlten daran — gewann Leben und Zufuhr.
Der alte Ehemann verbreitete über ſein Geſicht
jenes zuckende Lächeln, das bei einigen Men¬
ſchen der Zuckung des Korkholzes ähnlicht, wel¬
che das Anbeiſſen des Fiſches anſagt. Er frag¬
te, ob er nun wohl Unrecht gehabt, weder der
Tochter noch der Mutter — die er beide eines
partheigängeriſchen Einverſtändniſſes gegen ihn
beſchuldigte — zu trauen; und verſicherte nun,
nach ſolchen Proben wären ihm weder ſtrenge¬
re Maaßregeln zu verargen noch ein gerades
Losgehen auf ſein Ziel und mit dem Sitzen,
um das ihn der deutſche Herr ſchon zweimal
gebeten, höb' er an. Die Miniſterin ſchwieg
zu Lianens Strafe über ein ſo übergroßes Ge¬
ſchenk an Bouverot wie ein Miniaturbild iſt.

Die zarte Tochter, gedrängt und zerquetſcht
zwiſchen ſteinernen, zuſchreitenden Statuen, ſtell¬
le der Mutter vor, ſie ſey unmöglich im Stan¬
de, ein ſo langes männliches Anblicken auszu¬
halten, und am wenigſten von H. v. Bouve¬

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[197/0209] Liebhaber ehelicher Luſttreffen wollte angeſehen ſeyn, hatte ſich ſchon fortgemacht. Der dreiſſig¬ jährige Krieg der Gatten — nur wenige Jahre fehlten daran — gewann Leben und Zufuhr. Der alte Ehemann verbreitete über ſein Geſicht jenes zuckende Lächeln, das bei einigen Men¬ ſchen der Zuckung des Korkholzes ähnlicht, wel¬ che das Anbeiſſen des Fiſches anſagt. Er frag¬ te, ob er nun wohl Unrecht gehabt, weder der Tochter noch der Mutter — die er beide eines partheigängeriſchen Einverſtändniſſes gegen ihn beſchuldigte — zu trauen; und verſicherte nun, nach ſolchen Proben wären ihm weder ſtrenge¬ re Maaßregeln zu verargen noch ein gerades Losgehen auf ſein Ziel und mit dem Sitzen, um das ihn der deutſche Herr ſchon zweimal gebeten, höb' er an. Die Miniſterin ſchwieg zu Lianens Strafe über ein ſo übergroßes Ge¬ ſchenk an Bouverot wie ein Miniaturbild iſt. Die zarte Tochter, gedrängt und zerquetſcht zwiſchen ſteinernen, zuſchreitenden Statuen, ſtell¬ le der Mutter vor, ſie ſey unmöglich im Stan¬ de, ein ſo langes männliches Anblicken auszu¬ halten, und am wenigſten von H. v. Bouve¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/209>, abgerufen am 27.11.2024.