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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Brust werde von Nichts gedrückt als vom Schut¬
te der zertrümmerten Luftschlösser seiner Hoff
nung und Jugendliebe. Aber er war edler un¬
glücklich und trostlos, er wars, weil er zum er¬
stenmal einen Menschen und den besten elend
gemacht -- seine Geliebte blind; -- in diese
Vertiefung seines Herzens flossen alle benach¬
barten Quellen des Leidens zusammen. Die
kleinsten bunten Scherben seines Glückstopfes
wurden gleichsam von neuem zerschlagen, wenn
er von Tag zu Tag vernahm, daß die Arme,
obwohl täglich auf das Wasserhäuschen vor die
heilenden Fontainen gestellt, doch immer ohne
Lichtschein zurückgebracht werde und daß sie
jetzt auf dieser Raub-Erde nichts weiter fürch¬
te und bejammere, als daß der Tod vielleicht
die Augen schließe, ehe sie noch einmal die Mut¬
ter angesehen.

O die Wunde des Gewissens wird keine
Narbe und die Zeit kühlt sie nicht mit ihrem
Flügel, sondern hält sie bloß offen mit ihrer
Sense. Albano rief sich Lianens bitteres Fle¬
hen um Schonung zurück und da tröstete es ihn
nicht, daß er unter jener Sonnenfinsterniß nicht

Bruſt werde von Nichts gedrückt als vom Schut¬
te der zertrümmerten Luftſchlöſſer ſeiner Hoff
nung und Jugendliebe. Aber er war edler un¬
glücklich und troſtlos, er wars, weil er zum er¬
ſtenmal einen Menſchen und den beſten elend
gemacht — ſeine Geliebte blind; — in dieſe
Vertiefung ſeines Herzens floſſen alle benach¬
barten Quellen des Leidens zuſammen. Die
kleinſten bunten Scherben ſeines Glückstopfes
wurden gleichſam von neuem zerſchlagen, wenn
er von Tag zu Tag vernahm, daß die Arme,
obwohl täglich auf das Waſſerhäuschen vor die
heilenden Fontainen geſtellt, doch immer ohne
Lichtſchein zurückgebracht werde und daß ſie
jetzt auf dieſer Raub-Erde nichts weiter fürch¬
te und bejammere, als daß der Tod vielleicht
die Augen ſchließe, ehe ſie noch einmal die Mut¬
ter angeſehen.

O die Wunde des Gewiſſens wird keine
Narbe und die Zeit kühlt ſie nicht mit ihrem
Flügel, ſondern hält ſie bloß offen mit ihrer
Senſe. Albano rief ſich Lianens bitteres Fle¬
hen um Schonung zurück und da tröſtete es ihn
nicht, daß er unter jener Sonnenfinſterniß nicht

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[217/0229] Bruſt werde von Nichts gedrückt als vom Schut¬ te der zertrümmerten Luftſchlöſſer ſeiner Hoff nung und Jugendliebe. Aber er war edler un¬ glücklich und troſtlos, er wars, weil er zum er¬ ſtenmal einen Menſchen und den beſten elend gemacht — ſeine Geliebte blind; — in dieſe Vertiefung ſeines Herzens floſſen alle benach¬ barten Quellen des Leidens zuſammen. Die kleinſten bunten Scherben ſeines Glückstopfes wurden gleichſam von neuem zerſchlagen, wenn er von Tag zu Tag vernahm, daß die Arme, obwohl täglich auf das Waſſerhäuschen vor die heilenden Fontainen geſtellt, doch immer ohne Lichtſchein zurückgebracht werde und daß ſie jetzt auf dieſer Raub-Erde nichts weiter fürch¬ te und bejammere, als daß der Tod vielleicht die Augen ſchließe, ehe ſie noch einmal die Mut¬ ter angeſehen. O die Wunde des Gewiſſens wird keine Narbe und die Zeit kühlt ſie nicht mit ihrem Flügel, ſondern hält ſie bloß offen mit ihrer Senſe. Albano rief ſich Lianens bitteres Fle¬ hen um Schonung zurück und da tröſtete es ihn nicht, daß er unter jener Sonnenfinſterniß nicht

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/229>, abgerufen am 23.11.2024.