Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

ren Reisen führen, so hielt er sich für einen sol¬
chen sogenannten Vater; er dachte: mit dem
Mädchen wirds ohnehin wenig mehr, es liegt
als todtes Kapital da und verzinset sich schlecht;
ich kann den angeöhrten Pathenpfennig, den
der deutsche Herr bei seinem Gevatterstand mir
als dem Vater anbietet wie dem Kinde den
Namen, in die Tasche stecken.

Das Schelmen-Duplikat wurde in seinem
Schusse und Flusse bloß durch einen Floßrechen
aufgehalten, der ihnen den Raub aus den
Hechtzähnen zu ziehen drohte; eine alte, keifen¬
de, aber seelentreue Kammerjungfer aus Nürn¬
berg war der Rechen; diese wäre nicht von Lia¬
nen und nicht zum Schweigen zu bringen ge¬
wesen. Bouverot freilich, ein Robespierre und
Würgengel seiner Dienerschaft, hätte an Frou¬
lay's Stelle die Nürnbergerin ein Paar Tage
vorher von einem Diener mit einigen kompli¬
zirten Frakturen versehen und dann auf die
Gasse werfen lassen; aber der Minister -- sein
Herz war weich -- konnte das nicht; Alles, was
ihm möglich war, das war: er berief sie auf
sein Zimmer -- hielt ihr es vor, daß sie ihm

ren Reiſen führen, ſo hielt er ſich für einen ſol¬
chen ſogenannten Vater; er dachte: mit dem
Mädchen wirds ohnehin wenig mehr, es liegt
als todtes Kapital da und verzinſet ſich ſchlecht;
ich kann den angeöhrten Pathenpfennig, den
der deutſche Herr bei ſeinem Gevatterſtand mir
als dem Vater anbietet wie dem Kinde den
Namen, in die Taſche ſtecken.

Das Schelmen-Duplikat wurde in ſeinem
Schuſſe und Fluſſe bloß durch einen Floßrechen
aufgehalten, der ihnen den Raub aus den
Hechtzähnen zu ziehen drohte; eine alte, keifen¬
de, aber ſeelentreue Kammerjungfer aus Nürn¬
berg war der Rechen; dieſe wäre nicht von Lia¬
nen und nicht zum Schweigen zu bringen ge¬
weſen. Bouverot freilich, ein Robespierre und
Würgengel ſeiner Dienerſchaft, hätte an Frou¬
lay's Stelle die Nürnbergerin ein Paar Tage
vorher von einem Diener mit einigen kompli¬
zirten Frakturen verſehen und dann auf die
Gaſſe werfen laſſen; aber der Miniſter — ſein
Herz war weich — konnte das nicht; Alles, was
ihm möglich war, das war: er berief ſie auf
ſein Zimmer — hielt ihr es vor, daß ſie ihm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0250" n="238"/>
ren Rei&#x017F;en führen, &#x017F;o hielt er &#x017F;ich für einen &#x017F;ol¬<lb/>
chen &#x017F;ogenannten Vater; er dachte: mit dem<lb/>
Mädchen wirds ohnehin wenig mehr, es liegt<lb/>
als todtes Kapital da und verzin&#x017F;et &#x017F;ich &#x017F;chlecht;<lb/>
ich kann den angeöhrten Pathenpfennig, den<lb/>
der deut&#x017F;che Herr bei &#x017F;einem Gevatter&#x017F;tand mir<lb/>
als dem Vater anbietet wie dem Kinde den<lb/>
Namen, in die Ta&#x017F;che &#x017F;tecken.</p><lb/>
          <p>Das Schelmen-Duplikat wurde in &#x017F;einem<lb/>
Schu&#x017F;&#x017F;e und Flu&#x017F;&#x017F;e bloß durch einen Floßrechen<lb/>
aufgehalten, der ihnen den Raub aus den<lb/>
Hechtzähnen zu ziehen drohte; eine alte, keifen¬<lb/>
de, aber &#x017F;eelentreue Kammerjungfer aus Nürn¬<lb/>
berg war der Rechen; die&#x017F;e wäre nicht von Lia¬<lb/>
nen und nicht zum Schweigen zu bringen ge¬<lb/>
we&#x017F;en. Bouverot freilich, ein Robespierre und<lb/>
Würgengel &#x017F;einer Diener&#x017F;chaft, hätte an Frou¬<lb/>
lay's Stelle die Nürnbergerin ein Paar Tage<lb/>
vorher von einem Diener mit einigen kompli¬<lb/>
zirten Frakturen ver&#x017F;ehen und dann auf die<lb/>
Ga&#x017F;&#x017F;e werfen la&#x017F;&#x017F;en; aber der Mini&#x017F;ter &#x2014; &#x017F;ein<lb/>
Herz war weich &#x2014; konnte das nicht; Alles, was<lb/>
ihm möglich war, das war: er berief &#x017F;ie auf<lb/>
&#x017F;ein Zimmer &#x2014; hielt ihr es vor, daß &#x017F;ie ihm<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[238/0250] ren Reiſen führen, ſo hielt er ſich für einen ſol¬ chen ſogenannten Vater; er dachte: mit dem Mädchen wirds ohnehin wenig mehr, es liegt als todtes Kapital da und verzinſet ſich ſchlecht; ich kann den angeöhrten Pathenpfennig, den der deutſche Herr bei ſeinem Gevatterſtand mir als dem Vater anbietet wie dem Kinde den Namen, in die Taſche ſtecken. Das Schelmen-Duplikat wurde in ſeinem Schuſſe und Fluſſe bloß durch einen Floßrechen aufgehalten, der ihnen den Raub aus den Hechtzähnen zu ziehen drohte; eine alte, keifen¬ de, aber ſeelentreue Kammerjungfer aus Nürn¬ berg war der Rechen; dieſe wäre nicht von Lia¬ nen und nicht zum Schweigen zu bringen ge¬ weſen. Bouverot freilich, ein Robespierre und Würgengel ſeiner Dienerſchaft, hätte an Frou¬ lay's Stelle die Nürnbergerin ein Paar Tage vorher von einem Diener mit einigen kompli¬ zirten Frakturen verſehen und dann auf die Gaſſe werfen laſſen; aber der Miniſter — ſein Herz war weich — konnte das nicht; Alles, was ihm möglich war, das war: er berief ſie auf ſein Zimmer — hielt ihr es vor, daß ſie ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/250
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/250>, abgerufen am 15.06.2024.