Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

"bewegt,) blickt' ich nach Deinen Bergen! Dein
"Name ist wie eine goldne Inschrift an meine
"ganze Jugend geschrieben. Ach Liane, hast
"Du mich wol geliebt wie ich Dich, als Du
"mich noch nicht gesehen?" --

"Gewiß nicht, Albano, (antwortete sie,) viel
"später!" Sie meinte aber ihre Blindheit, und
sagte, er sey ihr in dieser Augendämmerung an
jenem Abend, wo er bei ihrem Vater aß, wie
ein alter nordischer Königssohn, etwan wie
Olo *) vorgekommen, und sie habe ihn wie ihren

*) Am Hofe des Königs Olaus bot sich der Kö¬
nigsjüngling Olo, als Landmann gekleidet, der
Tochter zum Schutze gegen Räuber an. Da¬
mals galt Feuer der Augen und Adel der Ge¬
stalt als Beweis einer hohen Abkunft; so er¬
kannte z. B. die Suanhita den König Regner
in der Hirtentracht an der Schönheit seines Au¬
ges und Gesichts. Die Königstochter blickte prü¬
fend in Olo's Flammenauge, und kam der
Ohnmacht nahe; sie versuchte den zweiten Blick
und war ohne Besinnung, und bei dem dritten
in Ohnmacht. Der göttliche Jüngling schlug da¬
B 2

„bewegt,) blickt' ich nach Deinen Bergen! Dein
„Name iſt wie eine goldne Inſchrift an meine
„ganze Jugend geſchrieben. Ach Liane, haſt
„Du mich wol geliebt wie ich Dich, als Du
„mich noch nicht geſehen?“ —

„Gewiß nicht, Albano, (antwortete ſie,) viel
„ſpäter!“ Sie meinte aber ihre Blindheit, und
ſagte, er ſey ihr in dieſer Augendämmerung an
jenem Abend, wo er bei ihrem Vater aß, wie
ein alter nordiſcher Königsſohn, etwan wie
Olo *) vorgekommen, und ſie habe ihn wie ihren

*) Am Hofe des Königs Olaus bot ſich der Kö¬
nigsjüngling Olo, als Landmann gekleidet, der
Tochter zum Schutze gegen Räuber an. Da¬
mals galt Feuer der Augen und Adel der Ge¬
ſtalt als Beweis einer hohen Abkunft; ſo er¬
kannte z. B. die Suanhita den König Regner
in der Hirtentracht an der Schönheit ſeines Au¬
ges und Geſichts. Die Königstochter blickte prü¬
fend in Olo's Flammenauge, und kam der
Ohnmacht nahe; ſie verſuchte den zweiten Blick
und war ohne Beſinnung, und bei dem dritten
in Ohnmacht. Der göttliche Jüngling ſchlug da¬
B 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0031" n="19"/>
&#x201E;bewegt,) blickt' ich nach Deinen Bergen! Dein<lb/>
&#x201E;Name i&#x017F;t wie eine goldne In&#x017F;chrift an meine<lb/>
&#x201E;ganze Jugend ge&#x017F;chrieben. Ach Liane, ha&#x017F;t<lb/>
&#x201E;Du mich wol geliebt wie ich Dich, als Du<lb/>
&#x201E;mich noch nicht ge&#x017F;ehen?&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Gewiß nicht, Albano, (antwortete &#x017F;ie,) viel<lb/>
&#x201E;&#x017F;päter!&#x201C; Sie meinte aber ihre Blindheit, und<lb/>
&#x017F;agte, er &#x017F;ey ihr in die&#x017F;er Augendämmerung an<lb/>
jenem Abend, wo er bei ihrem Vater aß, wie<lb/>
ein alter nordi&#x017F;cher Königs&#x017F;ohn, etwan wie<lb/>
Olo <note xml:id="note-0031" next="#note-0032" place="foot" n="*)">Am Hofe des Königs Olaus bot &#x017F;ich der Kö¬<lb/>
nigsjüngling Olo, als Landmann gekleidet, der<lb/>
Tochter zum Schutze gegen Räuber an. Da¬<lb/>
mals galt Feuer der Augen und Adel der Ge¬<lb/>
&#x017F;talt als Beweis einer hohen Abkunft; &#x017F;o er¬<lb/>
kannte z. B. die Suanhita den König Regner<lb/>
in der Hirtentracht an der Schönheit &#x017F;eines Au¬<lb/>
ges und Ge&#x017F;ichts. Die Königstochter blickte prü¬<lb/>
fend in Olo's Flammenauge, und kam der<lb/>
Ohnmacht nahe; &#x017F;ie ver&#x017F;uchte den zweiten Blick<lb/>
und war ohne Be&#x017F;innung, und bei dem dritten<lb/>
in Ohnmacht. Der göttliche Jüngling &#x017F;chlug da¬<lb/></note>  vorgekommen, und &#x017F;ie habe ihn wie ihren<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 2<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0031] „bewegt,) blickt' ich nach Deinen Bergen! Dein „Name iſt wie eine goldne Inſchrift an meine „ganze Jugend geſchrieben. Ach Liane, haſt „Du mich wol geliebt wie ich Dich, als Du „mich noch nicht geſehen?“ — „Gewiß nicht, Albano, (antwortete ſie,) viel „ſpäter!“ Sie meinte aber ihre Blindheit, und ſagte, er ſey ihr in dieſer Augendämmerung an jenem Abend, wo er bei ihrem Vater aß, wie ein alter nordiſcher Königsſohn, etwan wie Olo *) vorgekommen, und ſie habe ihn wie ihren *) Am Hofe des Königs Olaus bot ſich der Kö¬ nigsjüngling Olo, als Landmann gekleidet, der Tochter zum Schutze gegen Räuber an. Da¬ mals galt Feuer der Augen und Adel der Ge¬ ſtalt als Beweis einer hohen Abkunft; ſo er¬ kannte z. B. die Suanhita den König Regner in der Hirtentracht an der Schönheit ſeines Au¬ ges und Geſichts. Die Königstochter blickte prü¬ fend in Olo's Flammenauge, und kam der Ohnmacht nahe; ſie verſuchte den zweiten Blick und war ohne Beſinnung, und bei dem dritten in Ohnmacht. Der göttliche Jüngling ſchlug da¬ B 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/31
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/31>, abgerufen am 03.12.2024.