Vater und Bruder ehrend gefürchtet. Ihre hohe Achtung für die Männer waren die wenigsten kaum zu errathen werth, geschweige zu veran¬ lassen. "Und als Du sehen konntest?" sagte Alba¬ no. "Das sagt' ich eben" versetzte sie naiv. "Aber "da Du meinen Bruder so liebtest (fuhr sie fort) "und so gut warst gegen Deine Schwester: so "wurd' ich freilich ganz beherzt, und bin und blei¬ "be nun Deine zweite Schwester -- Du hast ohne¬ "hin eine verloren -- Albano, glaube mir, ich "weiß es, ich bin gewiß zu wenig, zumal für "Dich, -- aber ich habe Einen Trost." --
Verwirrt von dieser Mischung von Heilig¬ keit und Kälte konnte er sie nur heftig küssen, und mußte, ohne sie zu widerlegen, sogleich fragen: welchen Trost? -- "Daß du einmal "ganz glücklich wirst" sagte sie leise. "Lia¬ "ne, deutlicher!" sagt' er. Denn er verstand
her das Augenlied nieder, enthüllte aber die Stirn und sein goldnes Haar und seinen Stand. S. der Deutsche und sein Vaterland von Ro¬ senthal und Karg I. S. 166, 167. --
Vater und Bruder ehrend gefürchtet. Ihre hohe Achtung für die Männer waren die wenigſten kaum zu errathen werth, geſchweige zu veran¬ laſſen. „Und als Du ſehen konnteſt?“ ſagte Alba¬ no. „Das ſagt' ich eben“ verſetzte ſie naiv. „Aber „da Du meinen Bruder ſo liebteſt (fuhr ſie fort) „und ſo gut warſt gegen Deine Schweſter: ſo „wurd' ich freilich ganz beherzt, und bin und blei¬ „be nun Deine zweite Schweſter — Du haſt ohne¬ „hin eine verloren — Albano, glaube mir, ich „weiß es, ich bin gewiß zu wenig, zumal für „Dich, — aber ich habe Einen Troſt.“ —
Verwirrt von dieſer Miſchung von Heilig¬ keit und Kälte konnte er ſie nur heftig küſſen, und mußte, ohne ſie zu widerlegen, ſogleich fragen: welchen Troſt? — „Daß du einmal „ganz glücklich wirſt“ ſagte ſie leiſe. „Lia¬ „ne, deutlicher!“ ſagt' er. Denn er verſtand
her das Augenlied nieder, enthüllte aber die Stirn und ſein goldnes Haar und ſeinen Stand. S. der Deutſche und ſein Vaterland von Ro¬ ſenthal und Karg I. S. 166, 167. —
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Vater und Bruder ehrend gefürchtet. Ihre hohe
Achtung für die Männer waren die wenigſten
kaum zu errathen werth, geſchweige zu veran¬
laſſen. „Und als Du ſehen konnteſt?“ ſagte Alba¬
no. „Das ſagt' ich eben“ verſetzte ſie naiv. „Aber
„da Du meinen Bruder ſo liebteſt (fuhr ſie fort)
„und ſo gut warſt gegen Deine Schweſter: ſo
„wurd' ich freilich ganz beherzt, und bin und blei¬
„be nun Deine zweite Schweſter — Du haſt ohne¬
„hin eine verloren — Albano, glaube mir, ich
„weiß es, ich bin gewiß zu wenig, zumal für
„Dich, — aber ich habe Einen Troſt.“ —
Verwirrt von dieſer Miſchung von Heilig¬
keit und Kälte konnte er ſie nur heftig küſſen,
und mußte, ohne ſie zu widerlegen, ſogleich
fragen: welchen Troſt? — „Daß du einmal
„ganz glücklich wirſt“ ſagte ſie leiſe. „Lia¬
„ne, deutlicher!“ ſagt' er. Denn er verſtand
*)
*) her das Augenlied nieder, enthüllte aber die
Stirn und ſein goldnes Haar und ſeinen Stand.
S. der Deutſche und ſein Vaterland von Ro¬
ſenthal und Karg I. S. 166, 167. —
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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/32>, abgerufen am 21.11.2024.
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