nicht, daß sie ihren Tod und Linda's Verkün¬ digung durch Geister meinte. "Ich meine, nach "Einem Jahre (versetzte sie) nach den Prophe¬ "zeihungen." Er sah sie stumm, wild, rathend und bänglich an Sie fiel ihm weinend ans Herz und lösete plötzlich das Gedränge innerer Seufzer: "bin ich denn dann nicht, (sagte sie heftig,) gestorben und seh' aus der Seellgkeit zu, daß Du belohnet wirst für Deine Liebe ge¬ gen Liane? Und das gewiß recht sehr!" --
Weine, zürne, leide, frohlocke und bewundere immerhin, heftiger Jüngling! Aber Du fassest diese demüthige Seele doch nicht! -- Hei¬ lige Demuth? einzige Tugend, die nicht vom Menschen sondern von Gott geschaffen wird! Du bist höher als Alles, was Du verbirgst oder nicht kennst! Du himmlischer Lichtstrahl, wie das irrdische Licht *) zeigst du alle fremde Far¬
*) Denn was man Licht nennt, ist nur stärkeres Weiß. Niemand sieht Nachts den Lichtstrom, der vor der Erde vorbei von der Sonne auf den Vollmond hinaufstürzt.
nicht, daß ſie ihren Tod und Linda's Verkün¬ digung durch Geiſter meinte. „Ich meine, nach „Einem Jahre (verſetzte ſie) nach den Prophe¬ „zeihungen.“ Er ſah ſie ſtumm, wild, rathend und bänglich an Sie fiel ihm weinend ans Herz und löſete plötzlich das Gedränge innerer Seufzer: „bin ich denn dann nicht, (ſagte ſie heftig,) geſtorben und ſeh' aus der Seellgkeit zu, daß Du belohnet wirſt für Deine Liebe ge¬ gen Liane? Und das gewiß recht ſehr!“ —
Weine, zürne, leide, frohlocke und bewundere immerhin, heftiger Jüngling! Aber Du faſſeſt dieſe demüthige Seele doch nicht! — Hei¬ lige Demuth? einzige Tugend, die nicht vom Menſchen ſondern von Gott geſchaffen wird! Du biſt höher als Alles, was Du verbirgſt oder nicht kennſt! Du himmliſcher Lichtſtrahl, wie das irrdiſche Licht *) zeigſt du alle fremde Far¬
*) Denn was man Licht nennt, iſt nur ſtärkeres Weiß. Niemand ſieht Nachts den Lichtſtrom, der vor der Erde vorbei von der Sonne auf den Vollmond hinaufſtürzt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0033"n="21"/>
nicht, daß ſie ihren Tod und Linda's Verkün¬<lb/>
digung durch Geiſter meinte. „Ich meine, nach<lb/>„Einem Jahre (verſetzte ſie) nach den Prophe¬<lb/>„zeihungen.“ Er ſah ſie ſtumm, wild, rathend<lb/>
und bänglich an Sie fiel ihm weinend ans<lb/>
Herz und löſete plötzlich das Gedränge innerer<lb/>
Seufzer: „bin ich denn dann nicht, (ſagte ſie<lb/>
heftig,) geſtorben und ſeh' aus der Seellgkeit<lb/>
zu, daß Du belohnet wirſt für Deine Liebe ge¬<lb/>
gen Liane? Und das gewiß recht ſehr!“—</p><lb/><p>Weine, zürne, leide, frohlocke und bewundere<lb/>
immerhin, heftiger Jüngling! Aber Du faſſeſt<lb/>
dieſe demüthige Seele doch nicht! — Hei¬<lb/>
lige Demuth? einzige Tugend, die nicht vom<lb/>
Menſchen ſondern von Gott geſchaffen wird!<lb/>
Du biſt höher als Alles, was Du verbirgſt oder<lb/>
nicht kennſt! Du himmliſcher Lichtſtrahl, wie<lb/>
das irrdiſche Licht <noteplace="foot"n="*)">Denn was man Licht nennt, iſt nur ſtärkeres<lb/>
Weiß. Niemand ſieht Nachts den Lichtſtrom,<lb/>
der vor der Erde vorbei von der Sonne auf<lb/>
den Vollmond hinaufſtürzt.<lb/></note> zeigſt du alle fremde Far¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[21/0033]
nicht, daß ſie ihren Tod und Linda's Verkün¬
digung durch Geiſter meinte. „Ich meine, nach
„Einem Jahre (verſetzte ſie) nach den Prophe¬
„zeihungen.“ Er ſah ſie ſtumm, wild, rathend
und bänglich an Sie fiel ihm weinend ans
Herz und löſete plötzlich das Gedränge innerer
Seufzer: „bin ich denn dann nicht, (ſagte ſie
heftig,) geſtorben und ſeh' aus der Seellgkeit
zu, daß Du belohnet wirſt für Deine Liebe ge¬
gen Liane? Und das gewiß recht ſehr!“ —
Weine, zürne, leide, frohlocke und bewundere
immerhin, heftiger Jüngling! Aber Du faſſeſt
dieſe demüthige Seele doch nicht! — Hei¬
lige Demuth? einzige Tugend, die nicht vom
Menſchen ſondern von Gott geſchaffen wird!
Du biſt höher als Alles, was Du verbirgſt oder
nicht kennſt! Du himmliſcher Lichtſtrahl, wie
das irrdiſche Licht *) zeigſt du alle fremde Far¬
*) Denn was man Licht nennt, iſt nur ſtärkeres
Weiß. Niemand ſieht Nachts den Lichtſtrom,
der vor der Erde vorbei von der Sonne auf
den Vollmond hinaufſtürzt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/33>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.