Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

ungern auf die Frage antworteten, wie befin¬
den Sie sich. Aber auf der Fürstin ließ er nun
seine ganze Seele ruhen, seit dem astronomi¬
schen Abende; von welchem er jetzt kaum be¬
griff, wie er da gegen eine Freundin so viel
und mehr von seiner Liebe sprechen können als
je gegen einen Freund. Allein ungern spricht
der Mann vor einem Manne seine Empfindung
aus und gern vor einem Weibe, ein Weib aber
am liebsten vor einem Weibe. Indeß hielt ihn
die Fürstin durch die feinste Schmeichelei, die
es giebt, durch entschiednes stilles Achten in
Banden; dem wörtlichen Lobe war er eben so
gram und gewachsen, als dem thätigen ge¬
wogen und zinsbar.

Bis zur Ankunft der Entscheidung verlief
eine verworrene Zeit; wie ein Mensch, der in
der Nacht reiset, hört' er Stimmen und sah
Lichter, und ihrer feindlichen oder freundlichen
Bedeutung fehlte ein Morgen. -- Rabette lag
krank und verblutete am matten Herzen; denn
nicht er hatte aus ihm den blutstillenden Dolch,
nämlich Karls Liebe, herausgezogen, sondern

ungern auf die Frage antworteten, wie befin¬
den Sie ſich. Aber auf der Fürſtin ließ er nun
ſeine ganze Seele ruhen, ſeit dem aſtronomi¬
ſchen Abende; von welchem er jetzt kaum be¬
griff, wie er da gegen eine Freundin ſo viel
und mehr von ſeiner Liebe ſprechen können als
je gegen einen Freund. Allein ungern ſpricht
der Mann vor einem Manne ſeine Empfindung
aus und gern vor einem Weibe, ein Weib aber
am liebſten vor einem Weibe. Indeß hielt ihn
die Fürſtin durch die feinſte Schmeichelei, die
es giebt, durch entſchiednes ſtilles Achten in
Banden; dem wörtlichen Lobe war er eben ſo
gram und gewachſen, als dem thätigen ge¬
wogen und zinsbar.

Bis zur Ankunft der Entſcheidung verlief
eine verworrene Zeit; wie ein Menſch, der in
der Nacht reiſet, hört' er Stimmen und ſah
Lichter, und ihrer feindlichen oder freundlichen
Bedeutung fehlte ein Morgen. — Rabette lag
krank und verblutete am matten Herzen; denn
nicht er hatte aus ihm den blutſtillenden Dolch,
nämlich Karls Liebe, herausgezogen, ſondern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0350" n="338"/>
ungern auf die Frage antworteten, wie befin¬<lb/>
den Sie &#x017F;ich. Aber auf der Für&#x017F;tin ließ er nun<lb/>
&#x017F;eine ganze Seele ruhen, &#x017F;eit dem a&#x017F;tronomi¬<lb/>
&#x017F;chen Abende; von welchem er jetzt kaum be¬<lb/>
griff, wie er da gegen eine Freundin &#x017F;o viel<lb/>
und mehr von &#x017F;einer Liebe &#x017F;prechen können als<lb/>
je gegen einen Freund. Allein ungern &#x017F;pricht<lb/>
der Mann vor einem Manne &#x017F;eine Empfindung<lb/>
aus und gern vor einem Weibe, ein Weib aber<lb/>
am lieb&#x017F;ten vor einem Weibe. Indeß hielt ihn<lb/>
die Für&#x017F;tin durch die fein&#x017F;te Schmeichelei, die<lb/>
es giebt, durch ent&#x017F;chiednes &#x017F;tilles Achten in<lb/>
Banden; dem wörtlichen Lobe war er eben &#x017F;o<lb/>
gram und gewach&#x017F;en, als dem thätigen ge¬<lb/>
wogen und zinsbar.</p><lb/>
          <p>Bis zur Ankunft der Ent&#x017F;cheidung verlief<lb/>
eine verworrene Zeit; wie ein Men&#x017F;ch, der in<lb/>
der Nacht rei&#x017F;et, hört' er Stimmen und &#x017F;ah<lb/>
Lichter, und ihrer feindlichen oder freundlichen<lb/>
Bedeutung fehlte ein Morgen. &#x2014; Rabette lag<lb/>
krank und verblutete am matten Herzen; denn<lb/>
nicht er hatte aus ihm den blut&#x017F;tillenden Dolch,<lb/>
nämlich Karls Liebe, herausgezogen, &#x017F;ondern<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[338/0350] ungern auf die Frage antworteten, wie befin¬ den Sie ſich. Aber auf der Fürſtin ließ er nun ſeine ganze Seele ruhen, ſeit dem aſtronomi¬ ſchen Abende; von welchem er jetzt kaum be¬ griff, wie er da gegen eine Freundin ſo viel und mehr von ſeiner Liebe ſprechen können als je gegen einen Freund. Allein ungern ſpricht der Mann vor einem Manne ſeine Empfindung aus und gern vor einem Weibe, ein Weib aber am liebſten vor einem Weibe. Indeß hielt ihn die Fürſtin durch die feinſte Schmeichelei, die es giebt, durch entſchiednes ſtilles Achten in Banden; dem wörtlichen Lobe war er eben ſo gram und gewachſen, als dem thätigen ge¬ wogen und zinsbar. Bis zur Ankunft der Entſcheidung verlief eine verworrene Zeit; wie ein Menſch, der in der Nacht reiſet, hört' er Stimmen und ſah Lichter, und ihrer feindlichen oder freundlichen Bedeutung fehlte ein Morgen. — Rabette lag krank und verblutete am matten Herzen; denn nicht er hatte aus ihm den blutſtillenden Dolch, nämlich Karls Liebe, herausgezogen, ſondern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/350
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/350>, abgerufen am 28.06.2024.