Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

gen Tagen wirklich ziehe, in seinem Vorspiele
und Vorbilde vor ihr zuzuschauen. Kaum hat¬
te sie der Kahle erblickt, als er sich das Gesicht
bedeckte: "Es ist ein einziger Unschuldiger unter
"uns (sagt' er, ganz bleich und unruhig) --
"der Jüngling hier," indem er auf Albano zeig¬
te. Eben donnerte oben ein Wagen mit sechs
Pferden vorüber. Schoppe sprang auf, fragte
zweimal schnell den sinnenden Albano: "gehst du
mit?" kehrte sich zornig von dessen Nein weg,
trat dicht vor den Kahlen und sagte wüthend:
"Hund!" -- und kehrte sich um und gieng fort.
Am Kahlen regte sich keine Mine auf der bleich¬
gebliebnen Haut, sondern nur die Hand ein we¬
nig, als sey in ihrer Nähe ein Stilet zum Griff,
aber er sah ihm mit jenem Blicke nach, vor
welchem das Mädchen in Neapel starb.

Albano ergrimmte über den Blick und sag¬
te: "Mein Herr, dieser Mann ist ein durchaus
redlicher, treuer, kräftiger Mensch; aber Sie ha¬
ben ihn selber gegen sich erbittert und müssen
ihn freisprechen." -- Mit sanfter, schmeicheln¬
der Stimme versetzte er: "ich kenn' ihn nicht erst
seit heute, und er kennt mich auch." -- Albano

gen Tagen wirklich ziehe, in ſeinem Vorſpiele
und Vorbilde vor ihr zuzuſchauen. Kaum hat¬
te ſie der Kahle erblickt, als er ſich das Geſicht
bedeckte: „Es iſt ein einziger Unſchuldiger unter
„uns (ſagt' er, ganz bleich und unruhig) —
„der Jüngling hier,“ indem er auf Albano zeig¬
te. Eben donnerte oben ein Wagen mit ſechs
Pferden vorüber. Schoppe ſprang auf, fragte
zweimal ſchnell den ſinnenden Albano: „gehſt du
mit?“ kehrte ſich zornig von deſſen Nein weg,
trat dicht vor den Kahlen und ſagte wüthend:
„Hund!“ — und kehrte ſich um und gieng fort.
Am Kahlen regte ſich keine Mine auf der bleich¬
gebliebnen Haut, ſondern nur die Hand ein we¬
nig, als ſey in ihrer Nähe ein Stilet zum Griff,
aber er ſah ihm mit jenem Blicke nach, vor
welchem das Mädchen in Neapel ſtarb.

Albano ergrimmte über den Blick und ſag¬
te: „Mein Herr, dieſer Mann iſt ein durchaus
redlicher, treuer, kräftiger Menſch; aber Sie ha¬
ben ihn ſelber gegen ſich erbittert und müſſen
ihn freiſprechen.“ — Mit ſanfter, ſchmeicheln¬
der Stimme verſetzte er: „ich kenn' ihn nicht erſt
ſeit heute, und er kennt mich auch.“ — Albano

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0368" n="256"/>
gen Tagen wirklich ziehe, in &#x017F;einem Vor&#x017F;piele<lb/>
und Vorbilde vor ihr zuzu&#x017F;chauen. Kaum hat¬<lb/>
te &#x017F;ie der Kahle erblickt, als er &#x017F;ich das Ge&#x017F;icht<lb/>
bedeckte: &#x201E;Es i&#x017F;t ein einziger Un&#x017F;chuldiger unter<lb/>
&#x201E;uns (&#x017F;agt' er, ganz bleich und unruhig) &#x2014;<lb/>
&#x201E;der Jüngling hier,&#x201C; indem er auf Albano zeig¬<lb/>
te. Eben donnerte oben ein Wagen mit &#x017F;echs<lb/>
Pferden vorüber. Schoppe &#x017F;prang auf, fragte<lb/>
zweimal &#x017F;chnell den &#x017F;innenden Albano: &#x201E;geh&#x017F;t du<lb/>
mit?&#x201C; kehrte &#x017F;ich zornig von de&#x017F;&#x017F;en Nein weg,<lb/>
trat dicht vor den Kahlen und &#x017F;agte wüthend:<lb/>
&#x201E;Hund!&#x201C; &#x2014; und kehrte &#x017F;ich um und gieng fort.<lb/>
Am Kahlen regte &#x017F;ich keine Mine auf der bleich¬<lb/>
gebliebnen Haut, &#x017F;ondern nur die Hand ein we¬<lb/>
nig, als &#x017F;ey in ihrer Nähe ein Stilet zum Griff,<lb/>
aber er &#x017F;ah ihm mit jenem Blicke nach, vor<lb/>
welchem das Mädchen in Neapel &#x017F;tarb.</p><lb/>
          <p>Albano ergrimmte über den Blick und &#x017F;ag¬<lb/>
te: &#x201E;Mein Herr, die&#x017F;er Mann i&#x017F;t ein durchaus<lb/>
redlicher, treuer, kräftiger Men&#x017F;ch; aber Sie ha¬<lb/>
ben ihn &#x017F;elber gegen &#x017F;ich erbittert und mü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ihn frei&#x017F;prechen.&#x201C; &#x2014; Mit &#x017F;anfter, &#x017F;chmeicheln¬<lb/>
der Stimme ver&#x017F;etzte er: &#x201E;ich kenn' ihn nicht er&#x017F;t<lb/>
&#x017F;eit heute, und er kennt mich auch.&#x201C; &#x2014; Albano<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0368] gen Tagen wirklich ziehe, in ſeinem Vorſpiele und Vorbilde vor ihr zuzuſchauen. Kaum hat¬ te ſie der Kahle erblickt, als er ſich das Geſicht bedeckte: „Es iſt ein einziger Unſchuldiger unter „uns (ſagt' er, ganz bleich und unruhig) — „der Jüngling hier,“ indem er auf Albano zeig¬ te. Eben donnerte oben ein Wagen mit ſechs Pferden vorüber. Schoppe ſprang auf, fragte zweimal ſchnell den ſinnenden Albano: „gehſt du mit?“ kehrte ſich zornig von deſſen Nein weg, trat dicht vor den Kahlen und ſagte wüthend: „Hund!“ — und kehrte ſich um und gieng fort. Am Kahlen regte ſich keine Mine auf der bleich¬ gebliebnen Haut, ſondern nur die Hand ein we¬ nig, als ſey in ihrer Nähe ein Stilet zum Griff, aber er ſah ihm mit jenem Blicke nach, vor welchem das Mädchen in Neapel ſtarb. Albano ergrimmte über den Blick und ſag¬ te: „Mein Herr, dieſer Mann iſt ein durchaus redlicher, treuer, kräftiger Menſch; aber Sie ha¬ ben ihn ſelber gegen ſich erbittert und müſſen ihn freiſprechen.“ — Mit ſanfter, ſchmeicheln¬ der Stimme verſetzte er: „ich kenn' ihn nicht erſt ſeit heute, und er kennt mich auch.“ — Albano

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/368
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/368>, abgerufen am 24.06.2024.