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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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nenne, so erwachst Du"" sagte sie. ""Nenn'
ihn,"" rief ich. -- Sie antwortete und ich
erwachte."

100. Zykel.

"Du kannst doch eine Nacht wachen und
"fahren?" mit dieser Frage führte ihn der Va¬
ter eilig an den reisefertigen Wagen, um ihn
noch mitten im warmen Traume mit den ein¬
gewiegten Erinnerungen zu entführen und um
besonders der bleichen Braut vorzufahren, die
in dieser Nacht auf demselben Weg in die letzte
Erbschaft des Menschen ziehen sollte. "Im Wa¬
gen sollst Du alles hören," versetzte Gaspard
auf des Sohnes sanfte Frage nach dem Ziel.
Noch lichttrunken vom glänzenden Lande der
Träume gehorchte Albano willig und blind. Er
sah noch Lianen in hoher Göttergestalt auf
dem abendrothen von Freuden überthaueten
Sonnenboden stehen, und sein Auge voll Glanz
reichte nicht herunter in den Erden-Keller auf
die abgeworfne enge Puppen-Hülse der be¬
freieten, fliegenden Psyche.

Schoppe begleitete ihn an den Fackel-Wa¬
gen, aber verschwiegen, um nicht sein Herz

nenne, ſo erwachſt Du““ ſagte ſie. „„Nenn'
ihn,““ rief ich. — Sie antwortete und ich
erwachte.“

100. Zykel.

„Du kannſt doch eine Nacht wachen und
„fahren?“ mit dieſer Frage führte ihn der Va¬
ter eilig an den reiſefertigen Wagen, um ihn
noch mitten im warmen Traume mit den ein¬
gewiegten Erinnerungen zu entführen und um
beſonders der bleichen Braut vorzufahren, die
in dieſer Nacht auf demſelben Weg in die letzte
Erbſchaft des Menſchen ziehen ſollte. „Im Wa¬
gen ſollſt Du alles hören,“ verſetzte Gaſpard
auf des Sohnes ſanfte Frage nach dem Ziel.
Noch lichttrunken vom glänzenden Lande der
Träume gehorchte Albano willig und blind. Er
ſah noch Lianen in hoher Göttergeſtalt auf
dem abendrothen von Freuden überthaueten
Sonnenboden ſtehen, und ſein Auge voll Glanz
reichte nicht herunter in den Erden-Keller auf
die abgeworfne enge Puppen-Hülſe der be¬
freieten, fliegenden Pſyche.

Schoppe begleitete ihn an den Fackel-Wa¬
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[428/0440] nenne, ſo erwachſt Du““ ſagte ſie. „„Nenn' ihn,““ rief ich. — Sie antwortete und ich erwachte.“ 100. Zykel. „Du kannſt doch eine Nacht wachen und „fahren?“ mit dieſer Frage führte ihn der Va¬ ter eilig an den reiſefertigen Wagen, um ihn noch mitten im warmen Traume mit den ein¬ gewiegten Erinnerungen zu entführen und um beſonders der bleichen Braut vorzufahren, die in dieſer Nacht auf demſelben Weg in die letzte Erbſchaft des Menſchen ziehen ſollte. „Im Wa¬ gen ſollſt Du alles hören,“ verſetzte Gaſpard auf des Sohnes ſanfte Frage nach dem Ziel. Noch lichttrunken vom glänzenden Lande der Träume gehorchte Albano willig und blind. Er ſah noch Lianen in hoher Göttergeſtalt auf dem abendrothen von Freuden überthaueten Sonnenboden ſtehen, und ſein Auge voll Glanz reichte nicht herunter in den Erden-Keller auf die abgeworfne enge Puppen-Hülſe der be¬ freieten, fliegenden Pſyche. Schoppe begleitete ihn an den Fackel-Wa¬ gen, aber verſchwiegen, um nicht ſein Herz

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/440>, abgerufen am 21.11.2024.