Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

sie nicht errathe, zu sich zu sagen: sie hat
Recht.

Sie lösete ihm das Räthsel ihrer heutigen
Erscheinung mit jenen freundlichen Minen, wel¬
che ein guter Mensch verdoppelt, wenn er et¬
was zu versüßen hat; "sie gehe nämlich heu¬
"te nach Pestiz zurück -- aber spät, erst Abends,
"erst um die Theezeit komme der Wagen und
"ihnen bleibe ein ganzer Tag; und sie hoffe
"nicht, daß ihr Vater diesen Umweg über Li¬
"lar für einen Bruch ihres Versprechens neh¬
"men werde." Ein liebendes Mädchen wird un¬
bewußt kühner. -- Darauf suchte sie ihn
über die friedlichen Absichten ihres Vaters recht
ruhig zu machen, und stellte ihm seine Strenge,
womit er sich und andere der Konvenienz un¬
terwarf, als die Ursache seiner Verbote, so wie
ihrer Zurückberufung zum Vermählungsfeste
vor. Albano, so nahe am letzten Schwure,
hielt ihn und sagte: sie hat Recht.

Der Hauptmann trat mit der rothwangi¬
gen Rabette herein, in deren Augen die Freude
blitzte. Das kleine Zimmer machte durch Enge
und Verwirrung die Lust nicht kleiner. Karl,

ſie nicht errathe, zu ſich zu ſagen: ſie hat
Recht.

Sie löſete ihm das Räthſel ihrer heutigen
Erſcheinung mit jenen freundlichen Minen, wel¬
che ein guter Menſch verdoppelt, wenn er et¬
was zu verſüßen hat; „ſie gehe nämlich heu¬
„te nach Peſtiz zurück — aber ſpät, erſt Abends,
„erſt um die Theezeit komme der Wagen und
„ihnen bleibe ein ganzer Tag; und ſie hoffe
„nicht, daß ihr Vater dieſen Umweg über Li¬
„lar für einen Bruch ihres Verſprechens neh¬
„men werde.“ Ein liebendes Mädchen wird un¬
bewußt kühner. — Darauf ſuchte ſie ihn
über die friedlichen Abſichten ihres Vaters recht
ruhig zu machen, und ſtellte ihm ſeine Strenge,
womit er ſich und andere der Konvenienz un¬
terwarf, als die Urſache ſeiner Verbote, ſo wie
ihrer Zurückberufung zum Vermählungsfeſte
vor. Albano, ſo nahe am letzten Schwure,
hielt ihn und ſagte: ſie hat Recht.

Der Hauptmann trat mit der rothwangi¬
gen Rabette herein, in deren Augen die Freude
blitzte. Das kleine Zimmer machte durch Enge
und Verwirrung die Luſt nicht kleiner. Karl,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0068" n="56"/>
&#x017F;ie nicht errathe, zu &#x017F;ich zu &#x017F;agen: &#x017F;ie hat<lb/>
Recht.</p><lb/>
          <p>Sie lö&#x017F;ete ihm das Räth&#x017F;el ihrer heutigen<lb/>
Er&#x017F;cheinung mit jenen freundlichen Minen, wel¬<lb/>
che ein guter Men&#x017F;ch verdoppelt, wenn er et¬<lb/>
was zu ver&#x017F;üßen hat; &#x201E;&#x017F;ie gehe nämlich heu¬<lb/>
&#x201E;te nach Pe&#x017F;tiz zurück &#x2014; aber &#x017F;pät, er&#x017F;t Abends,<lb/>
&#x201E;er&#x017F;t um die Theezeit komme der Wagen und<lb/>
&#x201E;ihnen bleibe ein ganzer Tag; und &#x017F;ie hoffe<lb/>
&#x201E;nicht, daß ihr Vater die&#x017F;en Umweg über Li¬<lb/>
&#x201E;lar für einen Bruch ihres Ver&#x017F;prechens neh¬<lb/>
&#x201E;men werde.&#x201C; Ein liebendes Mädchen wird un¬<lb/>
bewußt kühner. &#x2014; Darauf &#x017F;uchte &#x017F;ie ihn<lb/>
über die friedlichen Ab&#x017F;ichten ihres Vaters recht<lb/>
ruhig zu machen, und &#x017F;tellte ihm &#x017F;eine Strenge,<lb/>
womit er &#x017F;ich und andere der Konvenienz un¬<lb/>
terwarf, als die Ur&#x017F;ache &#x017F;einer Verbote, &#x017F;o wie<lb/>
ihrer Zurückberufung zum Vermählungsfe&#x017F;te<lb/>
vor. Albano, &#x017F;o nahe am letzten Schwure,<lb/>
hielt ihn und &#x017F;agte: &#x017F;ie hat Recht.</p><lb/>
          <p>Der Hauptmann trat mit der rothwangi¬<lb/>
gen Rabette herein, in deren Augen die Freude<lb/>
blitzte. Das kleine Zimmer machte durch Enge<lb/>
und Verwirrung die Lu&#x017F;t nicht kleiner. Karl,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0068] ſie nicht errathe, zu ſich zu ſagen: ſie hat Recht. Sie löſete ihm das Räthſel ihrer heutigen Erſcheinung mit jenen freundlichen Minen, wel¬ che ein guter Menſch verdoppelt, wenn er et¬ was zu verſüßen hat; „ſie gehe nämlich heu¬ „te nach Peſtiz zurück — aber ſpät, erſt Abends, „erſt um die Theezeit komme der Wagen und „ihnen bleibe ein ganzer Tag; und ſie hoffe „nicht, daß ihr Vater dieſen Umweg über Li¬ „lar für einen Bruch ihres Verſprechens neh¬ „men werde.“ Ein liebendes Mädchen wird un¬ bewußt kühner. — Darauf ſuchte ſie ihn über die friedlichen Abſichten ihres Vaters recht ruhig zu machen, und ſtellte ihm ſeine Strenge, womit er ſich und andere der Konvenienz un¬ terwarf, als die Urſache ſeiner Verbote, ſo wie ihrer Zurückberufung zum Vermählungsfeſte vor. Albano, ſo nahe am letzten Schwure, hielt ihn und ſagte: ſie hat Recht. Der Hauptmann trat mit der rothwangi¬ gen Rabette herein, in deren Augen die Freude blitzte. Das kleine Zimmer machte durch Enge und Verwirrung die Luſt nicht kleiner. Karl,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/68
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/68>, abgerufen am 09.11.2024.