darüber hin; sie vergaß in der Ferne eben so kalt jeden, der ihrem Innern widrig war, als sie in der Nähe ihn heftig davon stieß.
Julienne entfernte sich, um die Anstalten zur kleinen Tag- und Inselreise zu treffen. Al¬ bano schickte ein Blatt an Dian als Marsch¬ route nach Neapel; Linda sagte über Julienne: "ein tief- und fest gegründetes Gemüth!" -- "Das Stamm und Zweige nur in lauter kleine duftende Blüthen einhüllt," setzt' er hinzu. -- "Und gerade, was sie in Büchern und Gesprä¬ chen hasset, die Poesie, die treibt sie recht in Thaten. Individualität ist überall zu schonen und zu ehren als Wurzel jedes Guten. -- "Sie sind auch sehr gut," setzte sie mit sanfter Stim¬ me dazu. "Wahrlich, jetzt bin ichs, (sagt' er,) denn ich liebe recht; und nur ein vollendetes Wesen kann man recht lieben und ganz unei¬ gennützig!" --
So muß das Sonnenbild vollendet und rund auffallen, um zu brennen. "Oder ei¬ nes, das man dafür hält (sagte sie). Ich bin was ich bin und werde schwerlich an¬ ders. Wenn nur der Mensch einmal einen Wil¬
darüber hin; ſie vergaß in der Ferne eben ſo kalt jeden, der ihrem Innern widrig war, als ſie in der Nähe ihn heftig davon ſtieß.
Julienne entfernte ſich, um die Anſtalten zur kleinen Tag- und Inſelreiſe zu treffen. Al¬ bano ſchickte ein Blatt an Dian als Marſch¬ route nach Neapel; Linda ſagte über Julienne: „ein tief- und feſt gegründetes Gemüth!“ — „Das Stamm und Zweige nur in lauter kleine duftende Blüthen einhüllt,“ ſetzt' er hinzu. — „Und gerade, was ſie in Büchern und Geſprä¬ chen haſſet, die Poeſie, die treibt ſie recht in Thaten. Individualität iſt überall zu ſchonen und zu ehren als Wurzel jedes Guten. — „Sie ſind auch ſehr gut,“ ſetzte ſie mit ſanfter Stim¬ me dazu. „Wahrlich, jetzt bin ichs, (ſagt' er,) denn ich liebe recht; und nur ein vollendetes Weſen kann man recht lieben und ganz unei¬ gennützig!“ —
So muß das Sonnenbild vollendet und rund auffallen, um zu brennen. „Oder ei¬ nes, das man dafür hält (ſagte ſie). Ich bin was ich bin und werde ſchwerlich an¬ ders. Wenn nur der Menſch einmal einen Wil¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0168"n="156"/>
darüber hin; ſie vergaß in der Ferne eben ſo<lb/>
kalt jeden, der ihrem Innern widrig war, als<lb/>ſie in der Nähe ihn heftig davon ſtieß.</p><lb/><p>Julienne entfernte ſich, um die Anſtalten<lb/>
zur kleinen Tag- und Inſelreiſe zu treffen. Al¬<lb/>
bano ſchickte ein Blatt an Dian als Marſch¬<lb/>
route nach Neapel; Linda ſagte über Julienne:<lb/>„ein tief- und feſt gegründetes Gemüth!“—<lb/>„Das Stamm und Zweige nur in lauter kleine<lb/>
duftende Blüthen einhüllt,“ſetzt' er hinzu. —<lb/>„Und gerade, was ſie in Büchern und Geſprä¬<lb/>
chen haſſet, die Poeſie, die treibt ſie recht in<lb/>
Thaten. Individualität iſt überall zu ſchonen<lb/>
und zu ehren als Wurzel jedes Guten. —„Sie<lb/>ſind auch ſehr gut,“ſetzte ſie mit ſanfter Stim¬<lb/>
me dazu. „Wahrlich, jetzt bin ichs, (ſagt' er,)<lb/>
denn ich liebe recht; und nur ein vollendetes<lb/>
Weſen kann man recht lieben und ganz unei¬<lb/>
gennützig!“—</p><lb/><p>So muß das Sonnenbild vollendet und<lb/>
rund auffallen, um zu brennen. „Oder ei¬<lb/>
nes, das man dafür hält (ſagte ſie). Ich<lb/>
bin was ich bin und werde ſchwerlich an¬<lb/>
ders. Wenn nur der Menſch einmal einen Wil¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[156/0168]
darüber hin; ſie vergaß in der Ferne eben ſo
kalt jeden, der ihrem Innern widrig war, als
ſie in der Nähe ihn heftig davon ſtieß.
Julienne entfernte ſich, um die Anſtalten
zur kleinen Tag- und Inſelreiſe zu treffen. Al¬
bano ſchickte ein Blatt an Dian als Marſch¬
route nach Neapel; Linda ſagte über Julienne:
„ein tief- und feſt gegründetes Gemüth!“ —
„Das Stamm und Zweige nur in lauter kleine
duftende Blüthen einhüllt,“ ſetzt' er hinzu. —
„Und gerade, was ſie in Büchern und Geſprä¬
chen haſſet, die Poeſie, die treibt ſie recht in
Thaten. Individualität iſt überall zu ſchonen
und zu ehren als Wurzel jedes Guten. — „Sie
ſind auch ſehr gut,“ ſetzte ſie mit ſanfter Stim¬
me dazu. „Wahrlich, jetzt bin ichs, (ſagt' er,)
denn ich liebe recht; und nur ein vollendetes
Weſen kann man recht lieben und ganz unei¬
gennützig!“ —
So muß das Sonnenbild vollendet und
rund auffallen, um zu brennen. „Oder ei¬
nes, das man dafür hält (ſagte ſie). Ich
bin was ich bin und werde ſchwerlich an¬
ders. Wenn nur der Menſch einmal einen Wil¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/168>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.